20 Jahre lang war der Journalist und Buchautor Frank Schirrmacher Mitherausgeber der FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung. Als Feuilletonchef der FAZ öffnete er den Bereich für Wissenschaftsgeschichte und startete in seinem Blatt die „Berliner Seiten“, nachdem Berlin wieder zur deutschen Hauptstadt geworden war. 2004 wurde er als „Journalist des Jahres“ ausgezeichnet; 2010 dann als „Kulturjournalist des Jahres“ und 2014 posthum für sein Lebenswerk
Frank Schirrmacher wurde am 5. September 1959 als Sohn eines Ministerialrats in Wiesbaden geboren. 1979 legte er das Abitur in seiner Heimatstadt ab und studierte danach bis 1984 in Heidelberg und Cambridge Germanistik, Anglistik, Literatur und Philosophie. Er beendete das Studium als Magister der Philosophie und wurde 1988 an der Universität Siegen zum Dr. phil. promoviert.
► Dolf Sternberger, häufiger Leitartikler bei der FAZ, empfahl Schirrmacher 1984 dem damaligen Mitherausgeber ► Joachim Fest, der Schirrmacher daraufhin eine Hospitanz anbot. Schon im Jahr darauf wurde er Redakteur im Feuilleton bei Marcel Reich-Ranicki.
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Als Nachfolger von Reich-Ranicki leitete Schirrmacher dann von 1989 bis 1993 die Redaktion „Literatur und literarisches Leben“, bis er zu Beginn des Jahres 1994 als Nachfolger von Joachim Fest einer der fünf FAZ-Herausgeber wurde, zuständig für das gesamte Feuilleton. Welches er ab dem Jahr 2000 schrittweise für Berichte über Entwicklungen in der Naturwissenschaft öffnete, wie Hirnforschung oder KI Künstliche Intelligenz. In der FAZ vom 27. Juni 2000 ließ er beispielsweise auf sechs Seiten Sequenzen des menschlichen Genoms abdrucken, das gerade von dem amerikanischen Biochemiker Craig Venter unter Mithilfe deutscher Wissenschaftler entschlüsselt worden war.
Zuvor, in den Jahren 1986/87, hatte Schirrmacher Joachim Fest im damaligen Historikerstreit publizistisch unterstützt.
Als Feuilletonchef entwickelte Schirrmacher ein Gespür wie kaum ein anderer für Neuentwicklungen und aktuelle Trends sowie für Themen, die ein breites Publikum interessierten oder interessieren sollten. Darüber schrieb er Bücher wie „Das Methusalem-Komplott“, über die Überalterung unserer Gesellschaft und deren Folgen. Oder mit „Minimum“ über die Auflösung traditioneller Familienstrukturen. Aus diesen gut recherchierten und verständlich geschriebenen Sachbüchern entstanden parallel ganze Artikelserien, nicht nur für die FAZ, sondern auch in der WELT, der ZEIT oder in der Süddeutschen Zeitung. So wurde Frank Schirrmacher zu einem prägenden Meinungsmacher und Anreger von wichtigen Debatten.
Auf diese Weise entstanden mehrere mediale Coups, die für Aufregung sorgten oder Stimmung machten. Im August 2006 interviewte er Günter Grass kurz vorm Verkaufsbeginn von Grass‘ neuem Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ und machte ein breites Publikum darauf aufmerksam, dass Grass Mitglied der Waffen-SS war, was er bis dato verschwiegen hatte. Andere aber hatte Grass immer wieder aufgefordert, sich zu Ihrer NS-Vergangenheit zu bekennen.
"Das Geständnis", FAZ 12. August 2006
"Warum ich nach 60 Jahre mein Schweigen breche" Seite 1, FAZ 12. August 2006
"Warum ich nach 60 Jahre mein Schweigen breche" Seite 2, FAZ 12. August 2006
Oder Schirrmachers offener Brief zu Walsers Roman „Tod eines Kritikers“, den er als Angriff auf seinen Vorgänger Marcel Reich-Ranicki sah und als ein „Spiel mit antisemitischen Klischees“ anprangerte.
"Tod eines Kritikers" Seite 1, FAZ 29. Mai 2002
"Tod eines Kritikers" Seite 2, FAZ 29. Mai 2002
2007 erhielt er den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache, 2009 den Ludwig-Börne-Preis und 2014 wurde er posthum als Journalist des Jahres für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
Frank Schirrmacher starb am 12. Juni 2014 in Frankfurt/Main an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Friedhof in Sacrow begraben, einem Ortsteil von Potsdam und sein privater Wohnsitz.
Michael Naumann, einst Mitherausgeber der ZEIT, meinte, Frank Schirrmacher „sei der lebendigste Feuilleton-Chef Deutschlands seit Jahrzehnten gewesen.“ Schirrmacher habe seinem „doch sehr konservativen Blatt eine geistige, intellektuelle, aber auch journalistische Frische inhaliert, die überraschend war.“
(hhb)
Quellen
Peter Hoeres: Schirrmacher, Frank / Deutsche Biographie
Thomas Anz: Mit Faustschlägen auf den Schädel wecken / literaturkritik.de 30.10.207
Jakob Augstein: Frank Schirrmacher - in: Die Alpha-Journalisten / Herbert von Halem Verlag 2007
Hans Ulrich Gumbrecht: Ungeschliffen, leidenschaftlich und besorgt /FAZ 6.9.2014
Bücher
Frank Schirrmacher: Das Methusalem-Komplott / Karl Blessing Verlag 2004
Frank Schirrmacher: Minimum – Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft / Karl Blessing Verlag 2006
Frank Schirrmacher, Peter Sloterdijk Hrsg.: Der Geist in der Maschine. Digitale Intelligenz und die Ökonomie des Geistes / Frankfurter Allgemeine Buch 2015
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