Das NS-Regime

Zeitstrahl

1933 – aus der Demokratie in die NS-Diktatur

1933 ist ein Jahr des politischen Versagens: Nur mit Unterstützung der bürgerlichen Parteien und durch die Zerstrittenheit des linken Lagers kann Hitler an die Macht gelangen.

Im Januar wird das Kabinett Schleicher von allen Seiten bekämpft. Der Zentrumspolitiker Franz von Papen und der Großindustrielle, Pressezar und DNVP-Politiker Alfred Hugenberg werden zu Steigbügelhaltern für Adolf Hitler, der von Anfang an seine diktatorischen Absichten nicht verschleierte.

Auf Drängen von Hugenberg und Papen ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar Adolf Hitler zum Reichskanzler – jener Generalfeldmarschall, der diesen „böhmischen Gefreiten“ lange abschätzig beurteilte, ihn aber ab 1931 wohl zumindest für ministrabel hält. Von Papen, ein Vertrauter Hindenburgs, soll dem greisen Präsidenten Ende Januar noch gesagt haben: In sechs Wochen haben wir Hitler so in die Ecke gedrängt, dass er quietscht.“ Was für eine Fehleinschätzung – nach nur wenigen Monaten waren es die Vertreter aller anderen Parteien, die eine nach der anderen ausgelöscht wurden.

Denn die Nationalsozialisten zögerten keinen Moment auf ihrem Marsch in die Diktatur. Das erhoffte Ermächtigungsgesetz hatte Hindenburg schon Hitlers Vorgänger Kurt von Schleicher verweigert – immerhin gelingt es Hitler, den Reichstag am Tag nach seiner Ernennung auflösen zu lassen und Neuwahlen für den 5. März anzusetzen.

Sofort werden die anderen Parteien unter Druck gesetzt, vor allem die KPD und die SPD. So wird das Erscheinen der SPD-Zeitung Vorwärts am 4. Februar für drei Tage verboten. Am 24. Februar wird die KPD-Parteizentrale durchsucht und geschlossen. Göring verlangt härteres Vorgehen gegen angebliche „Presse-Ausschreitungen“.

In der Nacht zum 27. Februar brennt der Reichstag – wer den Brand legte, ist bis heute nicht geklärt. Die NSDAP beschuldigt sofort die Kommunisten. Bereits am 28. Februar wird die „Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat“ in Kraft gesetzt – eine Art Notstandsgesetz, dass nun vor dem Wahltermin vor allem die Presse- und Versammlungsfreiheit einschränkt.

Dennoch erreicht die NSDAP am 5. März nicht die erhoffte absolute Mehrheit, weder bei der Reichstagswahl noch bei der Wahl zum Preußischen Landtag. Erst durch das Verbot der KPD wird die erwünschte Mehrheit nachträglich hergestellt.

Am 13. März wird ein Propagandaministerium unter der Leitung von Goebbels eingerichtet und beginnt sofort, den Rundfunk als Propagandainstrument zu missbrauchen.

Ab März gibt es die ersten KZs in Nora/Thüringen, in Dachau und Oranienburg, wo politische Gegner der NSDAP interniert werden. Darüber herrscht natürlich öffentliches Stillschweigen, ebenso über die zahlreichen Internierungslager der SA.

Am 21. März inszeniert man den „Tag von Potsdam“ und gibt Hindenburg dabei das Gefühl, nun eine Art „Ersatzkaiser“ zu sein. Der erlässt dann wenige Tage später Hitlers lang ersehntes „Ermächtigungsgesetz“.

Am 23. März legt Hitler dem gerade neu zusammengetretenen Reichstag ein „Ermächtigungsgesetz“ vor, das zynisch mit „zur Behebung der Not von Volk und Staat“ begründet wird. Dieses Gesetz überträgt faktisch die gesamte Regierungsgewalt an Hitlers Nazi-Regierung, denn es erlaubt ihr vier Jahre lang Gesetze in Kraft setzen zu dürfen, ohne Beteiligung oder Zustimmung des Reichtages. Dennoch wird es von den 538 anwesenden Abgeordneten mit Zweidrittelmehrheit angenommen: 444 Abgeordnete der NSDAP, der bürgerlichen Parteien und des Zentrums stimmten mit „Ja“, allein die noch anwesenden 94 Sozialdemokraten lehnen das Gesetz ab. Und nur der SPD-Fraktionsvorsitzende Otto Wels erhebt seine Stimme gegen das Gesetz.

(Rede von Otto Wels am 23. März 1933 im Reichstag)

Zum 1. April gibt es den ersten Aufruf zum Boykott gegen jüdische Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte. Am 7. April folgt das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, das deutsche Bürger jüdischen Glaubens weiter diskriminiert.

Die Nazis erklären den 1. Mai zum „Feiertag der nationalen Arbeit“ und zerschlagen tags darauf die deutschen Gewerkschaften. Am 10. Mai verbrennen deutsche Studenten überall in Deutschland Bücher von oppositionellen und jüdischen Autoren.

Und am 22. Mai wird nun auch die SDP als „staats- und volksfeindliche Organisation“ verboten und ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt. Die verbliebenen bürgerlichen Parteien müssen sich Ende Juni/Anfang Juli selbst auflösen. Die katholische Zentrumspartei, eine von Hitlers Steigbügelhaltern, zögert am längsten, wird aber vom Vatikan unter Druck gesetzt, der ein Reichskonkordat mit dem Unrechtsstaat ausgehandelt hat, das, so die Drohung, erst nach der Zentrums-Auflösung ratifiziert werden soll. Erste menschenverachtende Gesetzte zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sind da bereits in Kraft gesetzt.

Die NSDAP ist nun alleinige Partei in Deutschland und betoniert diesen Status am 14. Juli durch ein „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“.

Auf der Funkausstellung am 18. August in Berlin stellt Goebbels den preiswerten Volksempfänger vor. Mit diesem im Volksmund „Goebbels-Schnauze“ genannten Radiogerät kann er nun seine Lügen an immer mehr Bürger verbreiten.

Am 21. September beginnt der Reichstagsbrandprozess gegen van der Lubbe, den KPD-Politiker Ernst Torgler und gegen drei bulgarische Kommunisten. Van der Lubbe wird am 23. Dezember zum Tode verurteilt – die vier Mitangeklagten müssen aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden, werden aber in Schutzhaft genommen oder ausgewiesen.

Stichwort Autobahnbau: Nach Ende des „Dritten Reiches“ wird Hitler immer wieder zugutegehalten, „er habe doch immerhin die Autobahnen gebaut“. Am 23. September inszeniert einen ersten Spatenstich öffentlich wirksam. Er hatte aber nicht einmal die Idee zum Bau der Schnellstraße, denn gebaut wird sie nach Plänen, die schon ab 1924 ausgearbeitet wurden.

Durch das „Schriftleitergesetz“ wird am 4. Oktober die deutsche Presse endgültig gleichgeschaltet und durch die Gründung einer „Reichskulturkammer“ am 15. November werden alle Kulturschaffenden unter die Aufsicht von Goebbels gestellt.

(hhb)

1934 - die Nazi-Herrschaft stabilisiert sich – Deutschland wird immer mehr zum Unrechtsstaat

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass mit der Gleichschaltung der deutschen Presse ab 1933 und dem schrittweisen Verbot von bis dato noch kritischen Medien die nun gleichgeschaltete Presse weitgehend auch gleich lautende propagandistisch gefärbte Inhalte veröffentlichte.

Am 28. März werden die Rundfunkanstalten der Länder im Reichssender Berlin vereinigt – sprich gleichgeschaltet. Über diesen Sender und mit Hilfe der preiswerten Volksempfänger – im Volksmund als „Goebbelsschnauze“ bezeichnet – lässt der Propagandaminister nun seine Lügen ohne Widerreden verbreiten. Am 31. März erscheint die älteste Zeitung Berlins – die Vossische Zeitung – zum letzten Mal. Selbst kleinere Zeitungen wie die Spandauer Zeitung mussten bereits ab Mai 1933 ihr Erscheinen einstellen, genau wie viele weitere Regional- und Lokalblätter in ganz Deutschland. Und Anfang Juni wird der Ullstein-Verlag „arisiert“ und über eine Tarngesellschaft dem Propagandaministerium zugeordnet.

Ein letztes Mal ertönt am 17. Juni in der Marburger Universität ein Protest gegen die NS-Willkür - gegen die Abschaffung der Pressefreiheit, gegen die Abschaffung des Rechtsstaats, gegen den zunehmenden Rassismus etc. In seiner von Hindenburg unterstützten „Marburger Rede“ weist Franz von Papen, noch ist er Hitlers Vizekanzler, auf die Fehlleistungen in der bisherigen „permanenten NS-Revolution“ hin und fordert Umdenken und Umkehr. Seine Rede wurde nur noch in der Abendausgabe der Frankfurter Zeitung vom 17. Juni abgedruckt, die Goebbels sofort beschlagnahmen ließ. Aber es wurden einige tausend Broschüren gedruckt; sie wurden teilweise ins Ausland geschmuggelt (Text unter 17. Juni) und unter der Hand auch in Deutschland verteilt und gelesen.

Ansonsten in der Chronik des Jahres 1934 vor allem Zynismen: am 26. Januar wird ein zehnjähriger Nichtangriffspakt mit Polen abgeschlossen und bekanntlich schon im September 1939 gebrochen. Das gleiche gilt für Hitlers Interview mit der Daily Mail am 5. August, in dem er einen Krieg gegen Großbritannien „als Verbrechen gegen die eigene Rasse“ ausschließt. Das Verbrechen fand dennoch statt.

Die schrittweise Abschaffung des Rechtsstaats wird fortgesetzt: am 12. März der Arierparagraph für die Reichswehr. Am 20. April die Überantwortung der Gestapo an Himmler und seine SS. Am 24. April die Etablierung eines Volksgerichtshofes, von dem zahllose Unrechtsurteile ausgingen. „Die Nacht der langen Messer“ am 30. Juni, als Hitler im Rahmen der „Röhm-Affäre“ zig Menschen ermorden ließ, darunter den einstigen Freund und SA-Führer Ernst Röhm, Parteigenossen wie Gregor Strasser, seinen Vorgänger General Kurt von Schleicher samt Ehefrau und von Papens Helfer bei der „Marburger Rede“, seinen Ghostwriter Edgar Julius Jung und seinen Pressechef Herbert von Bose. Insgesamt geht man heute von 150 bis 200 Personen aus. Namentlich identifiziert sind bisher etwa 90, denn viele Leichen wurden heimlich, still und leise in verschiedenen Krematorien eingeäschert.

Und wer nun unsere heutige, frei und pluralistisch berichtende Presse mit dem Begriff “Lügenpresse“ diffamiert, der sei auf das Teltower Kreisblatt vom 11. Juli hingewiesen, wo nachzulesen ist, wie Goebbels gegen die Berichterstattung der ausländischen Presse geifert und diese als „Lügenpresse“ bezeichnet. Weil Zeitungen wie Daily Express, Daily Telegraph, Manchester Guardian, Morning Post, Sender wie Radio Straßburg oder der Wiener Rundfunk natürlich nicht in seinem Sinne schweigen, sondern über die Mordexzesse vom 30. Juni berichten. Bei der Zahl der Opfer mangels konkreter Informationen vielleicht manchmal übertrieben. Aber sie nannten Ross und Reiter, während der „deutsche Presseherr“ frühere Verbündete wie Gegner als „lächerliche Knirpse! Kümmerlinge! Hergelaufene Subjekte!“ abtut. In der Sprache der Unmenschen, aus deren Wörterbuch auch der Begriff „Lügenpresse“ stammt.

Am 9. Juli werden die Konzentrationslager ebenfalls Himmler und der SS unterstellt. Am 10. Juli macht dann Göring der Staatsanwaltschaft klar, „dass Recht und der Wille des Führers eins sind“ – in Sachen Röhm-Affäre soll also nicht ermittelt werden.

Ansonsten verharrt man wo immer möglich in Heldenpose: am 30. Januar dem Jahrestag der Machtübernahme. An Führers Geburtstag am 20. April. Am 1. Mai. Und nach Hindenburgs Tod am 2. August und am 7. August anlässlich seiner Beerdigung im Tannenberg-Denkmal. Ab da ist Hitler auch Reichspräsident und nur er darf seit dem 16. Oktober als „Führer“ bezeichnet werden. Führer als Ehrentitel.

(hhb)