Dolf Sternberger war seit 1927 freier Mitarbeiter und von 1934 bis 1943 Redakteur bei der Frankfurter Zeitung. Mit Hilfe der von ihm so bezeichneten „verdeckten Schreibweise“ versuchte er, wenigstens einigermaßen authentische Berichte und Darstellungen zwischen den Zeilen zu veröffentlichen – vorbei an den immer rigoroser werdenden Sprachregelungen der NS-Pressebehörden. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er zwar weiter journalistisch, seine Haupttätigkeit wurde nun aber die universitäre Lehrtätigkeit. Sternberger wurde zu einem der Begründer einer verfassungsorientierten deutschen Politikwissenschaft.
Georg Adolf „Dolf“ Sternberger wurde am 28. Juli 1907 in Wiesbaden geboren. Seine Vorfahren waren Handwerker und Bauern, aber schon sein republikanisch gesinnter Vater hatte sich zum Bücherrevisor hochgearbeitet. Dolf war übrigens sein Kindername; diese Verkürzung nutzte er schon 1927 als Autor seines ersten Artikels in der FZ und nicht erst wie häufig vermutet ab 1933. Nach seinem Abitur am Wiesbadener Realgymnasium studierte er ab 1925 ein Semester Theaterwissenschaft in Kiel und danach in Frankfurt zusätzlich Germanistik und Kunstgeschichte. 1927 wechselte er an die Universität Heidelberg und konzentrierte sich dort auf philosophische und soziologische Vorlesungen. In Heidelberg gehörte er bald zum Kreis um Karl Jaspers, der ihm riet, für ein Jahr nach Freiburg zu gehen, zu Martin Heidegger. 1932 promovierte Sternberger dann in Frankfurt zum Dr. phil. – über Martin Heideggers Existenzialontologie ‚Sein und Zeit‘.
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Das "Pen-Zentrum Deutschland" trat am 12.04.1949 in Hamburg zu einer ersten Tagung zusammen. Das Bild zeigt die erste Arbeitssitzung im Kleinen Sitzungssaal des Hamburger Rathauses. v.r.n.l. um den Tisch sitzend: Prof. [Herbert] Friedmann - Dolf Sternberger - Axel Eggebrecht - Herbert Eulenberg - Hermann Kasack - Rudolf Schneider-Schelde (stehend) - Erich Kästner - Hans Henny Jahnn und Ernst Penzoldt.
Schon seit 1927 war Sternberger freier Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung und von 1934 bis zu deren Verbot im Jahr 1943 Redaktionsmitglied zunächst im Ressort Bildung und Wissenschaft, bis er zum Sport ausweichen muss.
1943 erhielt er ein Berufsverbot als Journalist und musste zusammen mit Benno Reifenberg die FZ verlassen, die dann auch ab Herbst 1943 ihr Erscheinen einstellen musste. Von da an arbeitete er in einem Heidelberger Industriebetrieb und half vor allem, seine jüdische Frau Ilse geborene Rothschild – sie hatten 1931 geheiratet – weiter vor den Nazis zu verstecken.
Nach Kriegsende hätte auch er die Frankfurter Zeitung gern wieder zum Leben erweckt, was amerikanische Presseoffiziere aber verhinderten. So gründete er im Oktober 1945 zusammen mit Karl Jaspers und anderen die Monatszeitschrift Die Wandlung und wurde deren Redaktionsleiter. Zusammen mit Wilhelm E. Süskind und Gerhard Storz publizierte er dort eine Artikelserie über die Verwahrlosung der deutschen Sprache im Dritten Reich. Diese Beiträge wurden 1957 in dem Buch „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“ zusammengefasst – zu einem sprachkritischen Dokument über die Sprache der Nationalsozialisten.
Als Die Wandlung nach der Währungsreform eingestellt werden musste, gab er ab 1950 die kulturpolitische Halbmonatszeitschrift Die Gegenwart heraus.
Schon 1947 hatte Sternberger einen Lehrauftrag für Politik an der Heidelberger Universität übernommen und dort ab 1951 eine von ihm initiierte Forschungsgruppe geleitet, aus der später das Institut für Politische Wissenschaft hervorging. 1960 wurde er außerordentlicher, zwei Jahre später ordentlicher Professor in Heidelberg.
Schon 1960 hatte er die PVS Politische Vierteljahresschrift als offizielles Fachblatt der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft gegründet, deren Vorsitzender er von 1961 bis 1963 war.
Von 1962 bis 1972 war Sternberger ordentlicher Professor an der Universität Heidelberg, wo er engagiert für eine verfassungsorientierte politische Wissenschaft eintrat. Schon darum nahm er 1962 klar und deutlich zur SPIEGEL-Affäre Stellung. Bekannt wurde auch sein Aufruf vom 9. November 1966, den er zusammen mit Richard Freudenberg an die Bundestagsabgeordneten richtete. Darin forderten sie die Bildung einer großen Koalition, die dann als Kabinett Kiesinger tatsächlich am 1. Dezember zusammenfand. Und am 23. Mai 1979, zum 30. Jahrestag der Verabschiedung des Grundgesetzes, prägte er in einem FAZ-Leitartikel den Begriff vom „Verfassungspatriotismus“.
Für die FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung war Sternberger seit 1959 Berater und Autor und sprach zudem 20 Jahre lang von 1946 bis 1966 regelmäßig Kommentare im Hessischen Rundfunk. Auf diese Weise konnte er durch seine Sprachmächtigkeit und sein kontinuierliches publizistisches Wirken immer wieder großen öffentlichen Einfluss ausüben.
1967 erhielt er die Goethe-Plakette des Landes Hessen; 1974 das Große Bundesverdienstkreuz; 1977 die Wilhelm-Leuschner-Medaille; 1989 das Großkreuz des Bundesverdienstordens und die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt.
Dolf Sternberger starb am 27. Juli 1989 in Frankfurt/Main, einen Tag vor seinem 82. Geburtstag. Er wurde in Heidelberg beigesetzt.
Seit 1992 wird der „Dolf Sternberger-Preis für politische Rede“ in Heidelberg vergeben. Bisherige Preisträger waren bisher Willy Brandt, Martin Walser, Wolfgang Schäuble, Manfred Rommel, Joachim Gauck, Helmut Schmidt, Friedrich Merz, Václav Havel, Norbert Lammert, Avi Primor, Hans Maier und zuletzt 2019 Cem Özdemir.
(hhb)
Eine Würdigung zum 100. Geburtstag von Dr. Dolf Sternberger, Vater des Verfassungspatriotismus, von Bernhard Vogel