Helmut Kindler war ein deutscher Verleger und Autor. Im Zweiten Weltkrieg unterstützte er Widerstandsgruppen. Unmittelbar nach Kriegsende war er an der Gründung des Berliner Tagesspiegel beteiligt. Zusammen mit Heinz Ullstein startete er 1946 in Berlin die Zeitschriften sie und REVUE. In seinem Münchner Kindler-Verlag verlegte er zunächst Bücher und ab 1955 auch Zeitschriften: neben der REVUE nun Das Schönste und Bravo.
Helmut Kindler wurde am 3. Dezember 1912 als Sohn eines preußischen Kriminalbeamten in Berlin geboren. Mit sechzehn Jahren verließ er das Gymnasium, um im avantgardistischen Theater am Nollendorfplatz von Erwin Piscator zu volontieren. Anschließend war er von 1929 bis 1932 Regieassistent an verschiedenen Berliner Bühnen und kam so mit Autoren wie Bertolt Brecht, Alfred Döblin oder Hermann Kesten in Kontakt. Und er machte die Bekanntschaft von Journalisten wie ►Sebastian Haffner, Rudolf Herrnstadt oder ►Theodor Wolff.
Nachdem die NSDAP 1933 die Macht übernommen hatte und daraufhin viele seiner Schauspieler-Kollegen und Regisseure das Land verlassen hatten, verabschiedete sich auch Kindler von der Bühne und begann als Journalist zu arbeiten: für das Berliner Tageblatt und die Frankfurter Zeitung.
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Rudolf Herrnstadt hatte er einst durch eine Jugendfreundin kennengelernt – der brachte Helmut Kindler 1934 in Kontakt mit dem Komintern. Worauf Kindler zum Kurier zwischen Berlin und Bukarest für eine kommunistischen Untergrundorganisation wurde - später als „Rote Kapelle“ bekannt geworden.
Sebastian Haffner wiederum empfahl 1938 dem Ullstein-Verlag, Kindler als Redakteur einzustellen. Dort wurde Kindler Chefredakteur beim Groschenblatt Erika – für Front und Heimat und später Kriegsberichterstatter und Redakteur einer Frontzeitung in Warschau. Im Geheimen unterstützte er dort eine polnische Widerstandsgruppe, die 1943 enttarnt wurde. Die Gestapo verhaftete auch Kindler. Der wurde vom Volksgerichtshof wegen „Hochverrat, Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung“ angeklagt. Nach anderthalb Jahren Haft wurde er wegen Mangels an Beweisen freigesprochen, aber nur zur Frontbewährung entlassen.
Gleich nach Kriegsende war Kindler 1945 an der Gründung des Berliner Tagesspiegel beteiligt. Danach gab er zusammen mit Heinz Ullstein in Berlin zwei Zeitschriften heraus, das Frauenblatt sie und die Revue, zunächst als Kunstzeitschrift.
1951 zog er nach München, gründete dort seinen Kindler-Verlag und landete gleich mit seinem ersten Buch, den Memoiren von Ferdinand Sauerbruch, einen Hit mit Millionen-Auflage. Von seinem Plan, Klaus Manns Roman „Mephisto“ auch in Westdeutschland zu veröffentlichten, musste er wegen des absehbaren Rechtsstreits mit Gustav Gründgens Abstand nehmen. Zumal er damals ohnehin wegen seiner Kritik an Leni Riefenstahls Film „Tiefland“ vom Münchner Amtsgericht wegen übler Nachrede verurteilt worden war.
Der Sauerbruch-Erfolg war für ihn als Buchverleger Grund genug, sich weiter auf die Herausgabe von Biographien und Werken zum Zeitgeschehen zu konzentrieren. Später kamen noch mehrbändige Enzyklopädien dazu.
1955 startete er die Kultur-Zeitschrift Das Schönste, mit Berichten über Bildende Kunst, Literatur, Musik, Theater und Film. Die REVUE wandelte er zu einer Illustrierten um. Im Jahr darauf kam Bravo auf den Markt – ein Magazin, das Kindler zusammen mit Peter Boenisch konzipiert hatte: zunächst mit dem Untertitel „Zeitschrift für Film und Fernsehen“. Ab 1957 wurde Bravo dann deutlicher als Jugendmagazin positioniert, mit der Unterzeile „Film, Fernsehen und Schlager“. Diese drei Zeitschriften erschienen nun im Kindler und Schiermeyer Verlag AG.
Diesen Verlag löste Helmut Kindler 1965 auf, weil er sich weniger als Zeitschriftenverleger denn als Buchverleger sah. Die REVUE verkaufte er für geschätzte 40 Millionen DM an das Verlagshaus Th. Martens & Co GmbH, den Rest des Verlages Kindler & Schiermeyer mit den beiden Druckereien und Bravo an den Verlag Axel Springer & Sohn.
Schon am Jahresende 1964 hatte sich Kindler kritisch über sein Zeitschriftengeschäft geäußert: „Das Illustriertengeschäft ist mörderisch. Wie man mir sagt, soll es ähnliche Zustände nur bei den Ölfirmen in Texas geben.“ Inzwischen war wohl nur noch Bravo ertragreich – die REVUE stagnierte seit 1961 und war hinter die Konkurrenten STERN, QUICK und BUNTE auf Platz vier abgerutscht. Und auch mit seinen anderen Titeln hatte er keinen Erfolg mehr gehabt: Sein Lieblingskind Das Schönste musste im April 1963 eingestellt werden und seine Neustarts, die beiden Wirtschaftsblätter Besser leben und Unser Geld, hielten sich nicht einmal ein Jahr lang im Markt.
Darum wollte Helmut Kindler nur noch Bücher und Enzyklopädien verlegen, weiter so wagemutig wie immer. Die Liste solcher Werke aus dem Kindler Verlag ist beeindruckend: „Kindlers Literatur-Lexikon“, das „Lexikon der Malerei“, „Grzimeks Tierleben“, die zehnbändige Reihe „Der Mensch“ oder die 15 Bände von „Die Psychologie des 20. Jahrhunderts“. Dafür gab er nun das Geld aus, das er zuvor mit seinen Zeitschriften verdient hatte. Auf gelegentliche Kollegenschelte reagierte er darum eher amüsiert: „Ich habe die Bravo gerne gemacht – sie hat unser Literaturlexikon finanziert.“
Kindler blieb ein so engagierter wie streitbarer Verleger, bis er 1981 im Alter von knapp 70 Jahren den Schlussstrich zog und auch seinen Buch-Verlag verkaufte, an die Holtzbrinck-Gruppe. Seinen Wohnsitz verlegte er in die Schweiz, nach Küsnacht am Zürichsee. Von wo aus er, nachdenklich geworden, auf seine Branche zurückschaute. Sein Urteil: Verlagsmanager seien zu Geschäftsleuten verkommen, die halt auch Bücher machen: „Aber ein Autor muss sich geborgen fühlen im Verlag, und das gibt es kaum mehr.“
Helmut Kindler starb am 15. September 2008 im Alter von 95 Jahren in Küsnacht.
(hhb)
Quellen:
haGalil: Jüdisches Leben Online
Deutsche Verlegerlegende Helmut Kindler ist tot / SPIEGEL 17.9.2008
Uwe Wittstock: Das Geld von ‚Bravo‘ gab er für die Literatur / WELT 17.9.2008
Der streitbare Verleger Helmut Kindler ist tot / St. Gallener Tagblatt 18.9.2008
Hans-Ulrich Kull: Verleger Helmut Kindler / Ortsgeschichte Küssnacht
Albrecht Dümling: Widerstandskämpfer, Theaterliebhaber und Verleger / Deutschlandfunk Kultur 3.12.2012
Peter von Becker: Der große Kindler / Tagesspiegel 3.12.2002
Bücher:
Helmut Kindler: Zum Abschied ein Fest – Autobiographie / rowohlt