Karl Bücher

Der Nationalökonom Karl Bücher war so etwas wie der Gründervater der Zeitungswissenschaft. Als Volkswirt beschrieb er in seinem Werk „Wirtschaftsstufentheorie“ die historische Entwicklung der Wirtschaft und ihre Auswirkungen in ökonomischer, demographischer, sozialer und politischer Hinsicht. Er gilt als Miterfinder der „Break-even-Analyse“ und formulierte zudem ein „Gesetz der Massenproduktion“. Solche Erkenntnisse veröffentlichte er regelmäßig in Fachzeitschriften und in der Massenpresse. 1916 errichtete er an der Universität Leipzig das erste Institut für Zeitungskunde in Deutschland, um angehenden Journalisten dort eine wissenschaftlich fundierte zeitungsfachliche Ausbildung zu ermöglichen. Mit dem Ziel, das Niveau der Presse zu verbessern.

Karl Wilhelm Bücher wurde am 16. Februar 1847 in Kirberg/Herzogtum Nassau als Sohn eines Bürstenmachermeisters geboren. So bekam er frühzeitig Einblicke in das dörfliche Handwerk und dessen Entwicklung zu einer kleinindustriellen Form. Ab 1866 studierte er, um Gymnasiallehrer zu werden, in Bonn und Göttingen Alte Geschichte und Philologie, worin er 1870 promovierte. 1872 legte er die Staatsprüfung ab und arbeitete bis 1878 wie geplant als Lehrer.

Während dieser Tätigkeit wurde er Mitglied des Vereins für Sozialpolitik und berichtete wiederholt über die Mitgliederversammlungen des Vereins in der Frankfurter Zeitung. Außerdem intensivierte er seine volkswirtschaftlichen Studien und schrieb, ebenfalls für die FZ, auch über aktuelle Probleme der Wirtschafts- und Gewerbepolitik. Was den Verleger ► Leopold Sonnemann auf ihn aufmerksam machte, der ihn 1878 dazu bewegte, in die Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Zeitung einzutreten. Wegen seines starken Interesses an sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fragen strebte er eine Habilitation an und erhielt 1881 von der Ludwig-Maximilians-Universität München die Lehrbefugnis für Nationalökonomie und Statistik.

Nach Lehrstühlen zunächst an der deutsch-russischen Universität in Dorpad/Estland, dann von 1883 bis 1890 in Basel und danach von 1890 bis 1892 an der TH Karlsruhe, bekam er 1892 den Ruf auf einen zweiten Lehrstuhl für Nationalökonomie in Leipzig, wo er bis 1917 lehrte. Von 1901 bis 1923 war er Herausgeber der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, damals führend auf dem Gebiet der Nationalökonomie.

Unmittelbar vor seiner Emeritierung richtete er 1916 an der Leipziger Universität das erste Institut für Zeitungskunde in Deutschland ein, um angehenden Journalisten eine akademische Ausbildung zu ermöglichen. Und um das Niveau der Presse zu heben, gab es dort auch zeitungsfachliche Fortbildungskurse. Denn Bücher war erschüttert über die Art und Qualität in der Presse-Berichterstattung während des Ersten Weltkriegs in allen kriegsführenden Ländern einschließlich Deutschland – die war für ihn nichts als Propaganda.

Büchers Engagement führte 1926 schließlich zur Einrichtung der ersten Professur für Zeitungskunde, deren Ruf an Erich Everth ging.

Karl Bücher starb am 12. November 1930 und wurde im Kolumbarium auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt.

(hhb)

 

Quelle

Kutsch, Arnulf (2010): Professionalisierung durch akademische Ausbildung. Zu Karl Büchers Konzeption für eine universitäre Journalistenausbildung. In: Eberwein, Tobias / Daniel Müller (Hrsg.): Journalismus und Öffentlichkeit. Eine Profession und ihr gesellschaftlicher Auftrag. Wiesbaden: VS, S. 427-453.