Dr. Wendelin Hecht

Dr. Wendelin Hecht war ab 1934 Verlagsleiter der Frankfurter Zeitung und versuchte mit allen Mitteln – verlagsintern durch harte Arbeit und der NSDAP gegenüber mit zähem Kampf, mit Bluff und Drohungen – das 1856 gegründete und auch im Ausland nach wie vor angesehene liberale Blatt durch die NS-Zeit zu steuern. Die Nazis hatten da die Eigentümerfamilie Simon bereits aus dem Verlag gedrängt. 1934 hatte die Frankfurter Zeitung eine Auflage von gut 60.000 Exemplaren und schrieb seit 1926 rote Zahlen – Hecht gelang es, sie mit einem harten Sparkurs und mit Hilfe von Carl Bosch zu sanieren. Dennoch schaffte er es trotz aller Tricks und Bemühungen nicht, die Einstellung der FZ ab September 1943 zu verhindern.

Wendelin Hecht wurde am 1894 in Langenschemmern bei Biberach an der Riss geboren. In Berlin studierte er Nationalökonomie und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter seines Professors Max Sering. Mit ihm arbeitete Hecht in der Wirtschaftsenquete der Weimarer Republik. So entstanden seine Kontakte zu Carl Bosch, Chemie-Nobelpreisträger und damals Vorstandschef der BASF und Mitgründer von I.G. Farben. Und zu Hermann Hummel vom BASF-Aufsichtsrat. Durch diese beiden wird Hecht im Nebenjob Geschäftsführer in der zum Chemiekonzern gehörenden Imprimatur GmbH, die ab 1929 zur Absicherung des Verlagshauses 49 Prozent des Gesellschaftskapitals der Societäts-Druckerei GmbH übernommen hatte.

 

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Später gehörte Hecht noch zu den Mitarbeitern im Amt des Reichskommissars für Preisüberwachung Carl Goerdeler, das 1931 geschaffen wurde, um volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preise zu überprüfen und durchzusetzen. Goerdeler soll ihn auch in seine Verschwörungspläne gegen Hitler eingeweiht haben.

Im Mai 1934 wurde Hecht Geschäftsführer der Frankfurter Societäts-Druckerei und der Frankfurter Zeitung. Nachdem er das Blatt saniert hatte, versuchte das Propaganda-Ministerium im Frühjahr 1937 auch dort die Kontrolle zu übernehmen. Goebbels wollte einen neuen Chefredakteur einsetzen und ein NS-Parteimitglied im Aufsichtsrat der Societäts-Druckerei platzieren. Außerdem war die Rede von einem durch die Partei kontrollierten Beirat.

Hecht pokerte mit einem Bluff – mit dem Hinweis, dass dann wohl die Anteilseigner aus der Chemischen Großindustrie die Societäts-Druckerei verkaufen würden. Das tat er in der richtigen Annahme, die dann notwendige zwangsläufige Übernahme der FZ durch das Regime würde im Ausland sicher sehr negativ wirken und zu Abbestellungen führen. Hechts Abwehraktion ging auf und wehrte auch weitere Versuche ab, nationalsozialistische Sympathisanten in die Redaktion einzuschleusen.

1939 wollten dann offenbar die Presse-Machthaber im Dritten Reich um Max Amann, Otto Dietrich und Rolf Rienhardt die Frankfurter Zeitung – an Goebbels vorbei? – Hitler zu seinem 50. Geburtstag schenken. Was der als absurde Idee abtat.

Am 23. März 1943 erscheint in der FZ ein Artikel von Herbert Küsel über den nationalsozialistischen Publizisten und Dichter sowie Hitler-Förderer Dietrich Eckart. Ein Aufsatz, der zwar Goebbels gefiel aber Hitler missfiel. Küsel wurde verhaftet, aber durch Hilfe von Rienhardt bald wieder freigelassen. Rienhardt, der als Geschäftsführer des NS-Eher-Verlags einen wohlwollenden Kontakt zur FZ und dort speziell zu Erich Welter gehalten hatte, war da bereits aus dem Pressebereich entfernt worden und konnte nichts mehr für die FZ tun.

Sie musste, angeblich auf persönliche Anweisung von Hitler an Bormann, ihr Erscheinen ab September 1943 endgültig einstellen. Und die Geschäftsführung der Societäts-Druckerei wurde ab sofort von einem NS-Gefolgsmann übernommen, der 1945 wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner in Frankfurt das wertvolle Archiv der Frankfurter Zeitung abfackeln ließ.

Wendelin Hecht hatte sich da in seine oberschwäbische Heimat nach Altheim geflüchtet, wo er das Kriegsende abwartete.

Dort erhielt er im Herbst 1945 zusammen mit den früheren Verlegern des Verbo-Verlags eine französische Lizenz zur Herausgabe der Schwäbischen Zeitung, die am 4. Dezember 1945 mit knapp 100.000 Exemplaren erstmals erscheint.

Hechts Traum aber blieb eine Wiederauferstehung der Frankfurter Zeitung. Da kam ihm eine Initiative des Freiburger Herder-Verlags entgegen: Mit diesem Verlag und dem Verleger Heinrich Rombach gründete er im Januar 1946 den Badischen Verlag, der am 1. Februar 1946 erstmals die BZ Badische Zeitung herausgab.

In Frankfurt wurde Hecht dagegen von den Amerikanern auf einer „schwarzen Liste“ als politisch belastet eingestuft und von deren Presse-Offizieren darüber hinaus bei ihren französischen Kollegen unter Druck gesetzt. Die entzogen ihm schließlich die Geschäftsführung beider Blätter, wegen eines Artikels in der Schwäbischen Zeitung im November 1946 gegen die Deportation deutscher Bürger durch die Sowjets. Und alle dort tätigen Journalisten aus der früheren Frankfurter Zeitung, die Hecht für seine Neugründungen gewonnen hatte, wurden entlassen oder gar verhaftet.

Denn Hecht wollte die Badische Zeitung zu einem Blatt im Stil dieser Frankfurter Zeitung entwickeln – mit dem wirtschaftlichen Fundament einer Heimatzeitung, in ihrer Wirkung aber als eine große liberale Zeitung mit überregionaler Verbreitung und Bedeutung.

Das haben letztendlich amerikanische Presse-Offiziere verhindert. Sie kannten nur eine Schwarz- oder Weiß-Situation – Journalisten hatten ihrer Meinung nach ab 1933 nur zwei Alternativen: entweder zu emigrieren oder aus ihrem Beruf auszusteigen. Selbst die Frankfurter Zeitung war da in ihren Augen zu kontaminiert, obwohl, wie etwa Peter de Mendelssohn festhielt: „Die Bemühung, sich der geistigen Gleichschaltung zu entziehen, läßt sich nirgends besser ablesen als an der Geschichte der ‚Frankfurter Zeitung‘, die bis zum Ende ihr besonderes Gesicht und ihren ‚Geist des Hauses‘ zu bewahren trachtete.“

Dolf Sternberger, ebenfalls von 1934 bis 1943 Redakteur bei der Frankfurter Zeitung und berühmt wegen seiner „Sprachhygiene“, bezeichnete seine Arbeit damals als „verdeckte Schreibweise“. Aber wie sollten Puristen von jenseits des Atlantiks später erkennen können, wie man sich in der gleichgeschalteten Presse überhaupt noch Freiräume hatte schaffen konnte?

So starb Wendelin Hecht verbittert am 11. November 1947 im Alter von gerade einmal 53 Jahren. „Voller Gram über die Kurzsichtigkeit der Besatzungsmächte und mit bitteren Selbstvorwürfen“, wie Günther Gillessen in seinem Porträt über die damalige Zeit in FZ wie BZ schreibt.

(hhb)

Beitrag über die Gründung der Badischen Zeitung

Beitrag über die Gründung der Schwäbischen Zeitung

Ansprache am Grab von Wendelin Hecht am 20. November 1947 gehalten von Benno Reifenberg