Erich Ohser

Der in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts bekannte Zeichner, Karikaturist und Illustrator Erich Ohser erhielt wegen seiner Karikaturen über Hitler und Goebbels nach der Machtübernahme Berufsverbot. Unter seinem Pseudonym o.e. plauen durfte er dennoch seine berühmten „Vater und Sohn“-Bildgeschichten in der Berliner Illustrierte Zeitung veröffentlichen. Bevor man ihn wegen erzählter Witze über die Nazis vor Gericht zum Tode verurteilen konnte, beging er Suizid in seiner Zelle.

Erich Ohser wurde am 18. März 1903 in Untergettengrün bei Oelsnitz im Vogtland geboren. Als er sechs Jahre alt war, zog seine Familie nach Plauen. Dort besuchte er die Bürgerschule und danach eine Einrichtung, die ihn auf das Lehrer-Seminar vorbereiten sollte. Ab 1917 machte er eine Schlosserlehre und besuchte 1920 zunächst als Abendschüler die Staatliche Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig. Im Jahr darauf wurde er dank eines Stipendiums regulärer Student.

Nebenher verdiente er sich Geld durch Zeichnungen in der Volkszeitung für das Vogtland, für das Sächsische Volksblatt in Zwickau und für die Neue Leipziger Zeitung, wo ihn Erich Kästner eingeführt hatte. Kästner, ► Erich Knauf von der Volkszeitung und Ohser bildeten bald den junggeselligen „Freundeskreis der drei Erichs“.

Nach Beendigung seines Studiums als Meisterschüler zog er gemeinsam mit Kästner nach Berlin. Dort arbeitete Ohser als Buchillustrator für die Büchergilde Gutenberg und als Karikaturist für den Vorwärts. Im Vorwärts persiflierte er schonungslos die totalitäre Linke wie die marodierende Rechte und karikierte im Blatt stalinistische Kommunisten genauso wie die SA-Schlägerbanden. Allein in 170 Vorwärts-Ausgaben sind seine gezeichneten Sottisen zu finden.

article picture

Copyright: Bundesarchiv, Bild 146-2003-0037 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5483738

Ab 1931 arbeitete er auch für die Berliner Neue Revue. Vor allem mit seinen Karikaturen über Hitler und Goebbels (Wohin rollst Du, Goebbelchen! – seine Verballhornung eines Romans von Leo Perutz) machte er sich bei den Nationalsozialisten nicht gerade beliebt. Zusammen mit ► Erich Kästner, dessen Bücher er auch illustrierte, unternahm er damals Reisen nach Paris, Leningrad und Moskau. Die Reisen in die Sowjetunion trugen dazu bei, dass er den Kommunismus entschieden ablehnte.

Nach der Machtübernahme durch die Nazis erhielt er Berufsverbot. Dennoch bewarb er sich 1934 bei der Berliner Illustrirten Zeitung, in der man gern Comicstrips ähnlich wie „Micky Maus“ veröffentlichen wollte. Er schickte erste Entwürfe seiner „Vater und Sohn“-Zeichnungen, die er allerdings nicht unter seinem Namen veröffentlichen durfte. Darum wählte er das Pseudonym e. o. plauen (seine Initialen plus den Namen der Stadt, in der er aufgewachsen war) und konnte so wieder arbeiten. Allerdings mit der Auflage, sich keinesfalls politisch zu betätigen. Im Dezember 1934 wurde die erste von insgesamt 150 „Vater und Sohn“-Geschichten in der BIZ gedruckt.

Dazu Erich Ohser: „Ich bin als Sohn geboren und habe mich im Laufe der Jahre zum Vater emporgearbeitet – habe sozusagen von der Pike auf gedient. Meine ersten Jahre verlebte ich in einem einsamen Grenzhaus mitten im Walde, im oberen Vogtlande. Mein Vater war Grenzbeamter und außerdem ein glücklicher und guter Mensch. Die Vater und Sohn-Zeichnungen sind Erinnerungen an meine Kindheit, ausgelöst durch die Freude am eigenen Sohn.“

article picture

Zwischen 1935 und 1938 kamen drei Buchausgaben von „Vater und Sohn“ heraus. In dieser Zeit schützte ihn Goebbels noch, weil er ihn auch als Presse- und Filmzeichner benötigte. Ab 1940 wurde Ohser Mitarbeiter der wöchentlich erscheinenden NS-Propaganda-Zeitschrift Das Reich, wohl wegen seiner gekonnten Anti-Stalin-Karikaturen. Und später wegen seiner Karikaturen über die alliierten Angriffe. Ohser dazu gegenüber Hans Fallada: „Ich zeichne gegen die Alliierten – und nicht für die Nationalsozialisten."

Zusammen mit Manfred Schmidt, dem Schöpfer von „Nick Knatterton“, zeichnete er noch für die Deutsche Zeichenfilm GmbH den 17-minütigen Zeichentrickfilm „Armer Hansi“, der 1944 in die Kinos kam.

Ohser aber konnte seine Abneigung gegen das Nazi-Regime nicht auf Dauer unterdrücken. Zum Verhängnis wurde ihm dabei seine Schwerhörigkeit, denn Ohser und sein Freund Knauf erzählten sich in ihrer Wohnung und im Luftschutzkeller lautstark ihre eigenen Lagebeurteilungen sowie Witze über „den Dümmsten aller Emporkömmlinge“ (Hitler) und seinen „Zwerg“ (Goebbels). Die beiden wurden dabei von einem Nachbar-Ehepaar belauscht und denunziert. Die Gestapo verhaftete beide – vor dem Volksgerichtshof von Roland Freisler sollten sie nun wegen „Wehrkraftzersetzung“ angeklagt und damit absehbar zum Tode verurteilt werden. Vor Prozessbeginn, in der Nacht vom 5. auf den 6. April 1944, erhängte sich Ohser lieber im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit. Sein mit ihm verhafteter Freund Erich Knauf wurde tags darauf zum Tode verurteilt und Anfang Mai hingerichtet.

Ohsers Anklage in einem letzten Brief an Freisler: „Sie können stolz sein, der Mörder des Vaters von ‚Vater und Sohn‘ zu sein. Möge der Fluch von hunderttausend Kindern auf Sie herabkommen! Oh, welche Vorstellung, mit diesen Hinrichtungen gegen die Wahrheit ankommen zu wollen!“

An seine Familie richtete er noch diese Zeilen: „Es kann Schweres über uns hereinbrechen. Ich weiß, dass ihr beide in Liebe an mich denkt. Und ich flüstere eure Namen oft ins Dunkle. Ich küsse euch. Euer Vati und Erich.“

Seit 1995 vergeben die Stadt Plauen und die ► e.o.plauen-Gesellschaft e.V. zur Erinnerung an Erich Ohser alle drei Jahre den e.o.plauen-Preis in Höhe von inzwischen 6.000 Euro an verdiente zeitgenössische Karikaturisten und einen mit 2.500 Euro dotierten Förderpreis an junge Karikaturisten unter 35 Jahren.

 

(hhb)

 

Quellen

Biographie – Erich Ohser (1903-1944) alias e.o.plauen / Galerie e.o.plauen

Elke Schulze: Erich Ohser alias e.o. plauen. Ein deutsches Künstlerschicksal / Südverlag Konstanz 2014

Franz Josef Görtz + Hans Sarkowicz: Erich Kästner – Eine Biographie / Piper 1999

Detlef Manfred Müller: Erich Ohser/e.o.plauen (1903 -1944) / Vorwärts vom 1.6.2009

Christian Schröder: Der Zeichner von ‚Vater und Sohn‘ – wie o.e. plauen aus der Reihe tanzte / Tagesspiegel vom 5.4.2014

Vater und Sohn, Gestapo und Tod / ntv vom 6.4.2014

Klaus Hammer: Erich Ohser und die Gestik des Augenblicks / Das Blättchen vom 1.1.2018

Katja Iken: Möge der Fluch von hunderttausend Kindern auf Sie herabkommen / SPIEGELGeschichte vom 5.4.2019

Hartmut Goege: Das tragische Schicksal von e.o.plauen / Deutschlandfunk 6.4.2019

Jens-Rainer Berg: Seine Comics kennt fast jeder: Erich Ohser brachte Licht in dunkle Zeiten / GEO vom 13.12.2024

 

Bücher + Schriften

Plauen, E.O.: Pariser Skizzen / Reba-Verlag Darmstadt 1963

Plauen, E.O.: Vater und Sohn – 150 Bildgeschichten / Reclam Stuttgart 2015

Plauen, E.O.: Vater und Sohn – sämtliche Bildgeschichten / Nikol Verlagsgesellschaft Hamburg, 2016

Erich Ohser alias e.o.plauen - Die Werkausgabe. Zeichnungen, Illustrationen, Witzbilder und Vater und Sohn-Bildgeschichten / Südverlag Plauen-Konstanz 2017