Hans Zehrer

Hans Zehrer wurde am 22. Juni 1899 in Berlin geboren. Nach dem Besuch eines humanistischen Gymnasiums meldete er sich 1917 als Kriegsfreiwilliger. Nach Kriegsende blieb er zunächst weiterhin Soldat und beteiligte sich 1920 am Kapp-Putsch gegen die Weimarer Republik. Ein an der Berliner Universität begonnenes Studium in Medizin, Psychologie, Geschichte, Theologie und Nationalökonomie musste er aus wirtschaftlichen Gründen abbrechen.

Danach wandte er sich dem Journalismus zu. Von 1923 bis 1931 war er Redakteur der bei Ullstein erscheinenden Vossischen Zeitung, seit 1925 als leitender Außenpolitiker. Schon seit 1929 hatte er die heimliche Herausgeberschaft der im Eugen Diederichs Verlag erscheinenden monatlichen Zeitschrift Die Tat übernommen. Unter Zehrers Leitung steigerte sich die Auflage der Tat bis 1932 von ca. 2.000 auf 30.000 Exemplare. Der jungkonservative Tat-Kreis um Hans Zehrer hatte in der Endphase der Weimarer Republik, in der Ära Brüning-Papen-Schleicher erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung.

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In der Tat boten sie damals ein Gemisch aus linken wie rechten Positionen: Kritik am Kapitalismus aber Ruf nach nationaler Autarkie und Schaffung einer neuen Elite. Dazu Siegfried Kracauer:

„Die Zeitschrift ‚Die Tat‘ hat heute gerade unter den Intellektuellen der Mittelschichten einen starken Anhang. Er erklärt sich nicht nur daraus, daß der Tat-Kreis bewußt für die praktischen und ideologischen Interessen dieser Schichten eintritt, sondern auch aus seiner Kampfweise selber. Sie ist von einem Format, dessen die deutsche Intelligenz entwöhnt war.“

Und Carl von Ossietzky beurteilte den Tat-Kreis im November 1932 in seiner Weltbühne wie so:

„Neben Otto Strasser und Ernst Jünger repräsentiert der Mitarbeiterkreis der Tat heute am deutlichsten die Verwirrung liberalistischer Bürger, die sich vor dem drohenden ökonomischen Weltuntergang laut schreiend und mit ekstatischen Gebärden dem Rechtsradikalismus in die Arme werfen.“

Zehrer wurde im Oktober 1933 als Herausgeber abgesetzt. Er zog sich daraufhin zunächst nach Blankenese zurück und lebte ab 1934 auf Sylt, wo er den jungen Axel Springer traf. Seine jüdische Ehefrau brachte er 1938 nach Großbritannien in Sicherheit, ließ sich aber im Jahr darauf von ihr scheiden. 1941 wurde er Vorstandsmitglied im Stalling Verlag, dessen Leitung er 1942 nach dem Tod von Stalling übernahm. 1943 wurde er zur Luftwaffe eingezogen und diente dort in einem Stab. Kurz vor Kriegsende setzte er sich über Hamburg nach Sylt ab.

Von Januar bis März 1946 war er kurzzeitig Chefredakteur der von der britischen Besatzungsmacht gegründeten Tageszeitung Die Welt, musste aber nach Protesten von Sozialdemokraten und der „Berufsvereinigung Hamburger Journalisten“ das Amt wieder abgeben. Von Februar 1948 bis September 1953 leitete er die Redaktion des in Hamburg erscheinenden Sonntagsblatts. Nachdem Axel Springer 1953 Die Welt übernommen hatte wurde er dort erneut Chefredakteur. Und als „Hans im Bild“ darüber hinaus Kolumnist in der gerade gegründeten BILD-Zeitung. Hans Zehrer gehörte zu den engsten Vertrauten von Axel Springer. Gemeinsam unternahmen sie Anfang 1958 eine Reise nach Moskau und unterbreiteten Chruschtschow einen Plan für ein geeintes demokratisches und entmilitarisiertes Deutschland. Nachdem sie von Chruschtschow brüsk zurückgewiesen worden waren, rückte Die Welt endgültig von der bis dato verfolgten Idee einer gesamtdeutschen Neutralität ab.

Hans Zehrer starb am 23. August 1966 in Berlin.

Lutz Hachmeister beschrieb Zehrer in seinem Buch ‚Die Herren Journalisten‘ als „einen der effektivsten Propagandisten einer neuen Ordnung mit alten völkischen Mythen, bevor die Nazis ihren Mythos vom Tausendjährigen Reich ausriefen.“

Den Weg des Journalisten und Publizisten Hans Zehrer, der von der "Vossischen Zeitung" über die Zeitschrift "Die Tat" in die innere Emigration verlief, und den weiteren Weg nach 1945, der über eine christlich-abendländische Phase im "Sonntagsblatt" in die Chefredaktion der "Welt" führte und dort zeitweise eine national-neutralistische Richtung zur Geltung brachte, darf man als beispielhaft für die konservativen Wendungen ansehen.

(hhb)

 

Paul Sethe: Das war Hans Zehrer in  Die Zeit, 2. September 1966