Peter Roman Scholl-Latour kam am 9. März 1924 als Sohn des Lothringer Hautarztes Otto Konrad Scholl und seiner Ehefrau Mathilde, geb. Nussbaum, in Bochum zur Welt. Obwohl katholisch getauft, galt der in großbürgerlichen Verhältnissen aufwachsende Peter wegen seiner jüdischen Mutter im Nazi-Reich als "Mischling ersten Grades".
Zu seinem Schutz schickten seine Eltern ihren Sohn, der schon als Kind Französisch sprach, mit zwölf Jahren auf die Jesuiten-Schule Saint Michel ins schweizerische Fribourg. Eine Sozialisation, die ihn sein Leben lang zu einem, wie er sich selbst bezeichnete, katholischen Christen gemacht hat. Besonders fromm sei er zwar nie gewesen, doch seiner Kirche habe er "die Treue gehalten".
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Als 1940 die Geldüberweisungen ins Ausland untersagt wurden, musste der inzwischen Sechzehnjährige das Kolleg verlassen und kehrte zu seinen Eltern zurück, die inzwischen in Kassel wohnten. Dort legte er 1943 das Abitur im Wilhelmsgymnasium ab. Bei seinem Versuch, sich über Jugoslawien zur französischen Armee durchzuschlagen, wurde er 1945 beim Grenzübertritt von der Gestapo verhaftet. In Gefangenschaft erlebte der an Flecktyphus erkrankte Einundzwanzigjährige, dass "das Böse wirklich existiert". Nach der Befreiung durch die Rote Armee, suchte "PSL", der sich zunehmend als Franzose und Gaullist fühlte, das Abenteuer. Er meldete sich zur französischen Fallschirmjägereinheit „Commando Pondiardier“ und beteiligte sich an den spätkolonialen Kämpfen in Indochina.
Nach drei Jahren als Soldat studierte der Deutsche Peter Scholl, der inzwischen auch offiziell zum französischen Staatsbürger "Pierre Latour" geworden war, - Latour war der Mädchenname seiner Urgroßmutter väterlicherseits - in Mainz und an der Sorbonne zunächst der Familientradition folgend Medizin, wechselte dann jedoch zu den Sprach- und Politikwissenschaften. 1950 erwarb er die "Licence des lettres" an der Sorbonne und 1951 das "Diplome des Sciences Politiques" am renommierten "Sciences Po". 1954 promovierte er über den Schriftsteller Rudolf G. Binding. Nebenbei war er 1954/55 Sprecher der Regierung des Saarlandes, damals noch unter französischer Regie. In den Jahren 1956/58 widmete er sich der Arabistik und Islamkunde an der Beiruter Université Saint-Joseph.
Sein Reporterleben startete Scholl-Latour mit einem illegalen Aufenthalt als Nachrichtenbeschaffer für die Franzosen in der sowjetisch besetzten Zone, was mit einem Verhör in Bautzen endete. "Le Monde" veröffentlichte seinen dazu verfassten Bericht auf der Titelseite. Bereits während seiner Studienzeit schrieb der von einer "Weltneugier" angespornte PSL als Reisejournalist für deutsche und französische Magazine. Ab 1960 arbeitete für den ARD-Hörfunk, bis 1963 als Afrikakorrespondent der ARD mit Sitz in Leopoldville und Brazzaville. Anschließend baute er das ARD-Studio in Paris auf, das er bis 1969 leitete. Von 1969 bis 1971 war er WDR-Fernsehdirektor. Der nächste Schritt führte den gefragten Fernseh-Dokumentaristen 1971 zum ZDF, wo er als Chefkorrespondent später zusätzlich das Pariser ZDF-Studio leitete. 1983 wurde er - unmittelbar nach dem Skandal um die Hitler-Tagebücher - Vorstandsmitglied beim Verlagshaus Gruner + Jahr und blieb bis 1987, ein Jahr lang war er auch Stern-Chefredakteur gemeinsam mit Rolf Gillhausen.
Danach betätigte er sich vor allem als freier Autor. Als häufiger Interviewpartner und Gast in Talkshows erklärte er den Deutschen das Weltgeschehen. Unermüdlich, eigenwillig und zuletzt immer berechenbarer gegen den Mainstream gebürstet. Scholl-Latour veröffentlichte mehr als 30 Sachbücher zu vielen Themen und Weltregionen, mit einer Gesamtauflage von rund 10 Millionen Exemplaren. Das 1979/80 über Indochina herausgegebene Buch "Der Tod im Reisfeld" stellte mit 1,3 Mio Exemplaren einen Nachkriegsrekord auf. Peter Scholl-Latour wurden im Laufe seiner 60-jährigen Karriere viele Ehrungen für sein journalistisches Engagement zuteil, 2005 wurde er Chevalier der französischen Ehrenlegion, und 2006 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Als erklärter Gaullist deutete er die politischen Vorgänge auf dem Balkan, in Afrika, im Nahen Osten und Ostasien insbesondere aus Sicht der französischen Machtpolitik. Islam, Orient, Araber - über Jahre hinweg hatte er nahezu ein Monopol auf diese Themen.
Orientierung und Einordnung war seine Maxime. Authentizität versuchte er durch zahlreiche Gespräche mit den politischen Protagonisten zu erreichen. So stand er seit 1978 in Kontakt zu Ayatollah Chomeini, den er Anfang 1979 als privilegierter Journalist bei seiner Rückkehr aus dem französischen Exil in den Iran im Flugzeug begleitete.
PSL polarisierte. Der historisch hochgebildete Mann, der von realistischer Weltklugheit erfüllt war, fand begeisterte Anhänger, doch auch entschiedene Gegner, die ihm seinen Konservatismus, manchmal auch holzschnittartige Vereinfachungen vorwarfen. Er glaubte nicht an eine unwiderlegbare "objektive Wahrheit" unter den vielfältigen Beobachtungen und Ansichten der Menschen, Wahrheit sei nur "bei Gott" zu haben.
Peter Scholl-Latour starb am 16. August 2014 in Rhöndorf im Alter von neunzig Jahren. (he)
Literatur von und über Peter Scholl-Latour in der Deutschen Digitalen Bibliothek
FAZ-Fragebogen mit Peter Scholl-Latour zum Download