Heinz Knobloch

Heinz Knobloch wurde am 3. März 1926 als Sohn eines Reproduktionsfotografen in Dresden geboren, wo er die Volksschule besuchte. Nachdem sein Vater 1935 arbeitslos geworden war, zog die Familie nach Berlin. Dort besuchte Heinz Knobloch das „Friedrichs-Gymnasium und -Realschule“ in der Friedrichstraße bis zur Mittleren Reife und begann anschließend eine Lehre als Verlagskaufmann. Diese musste er bereits Mitte 1943 abbrechen, um Arbeitsdienst zu leisten. Danach wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Nach der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie desertierte er und begab sich in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Die verbrachte er zunächst in den USA, als Landarbeiter in Tennessee und Alabama oder später in einer Eisengießerei in Pennsylvania und als Holzfäller in Virginia. Via Schottland wurde er 1946 nach Europa zurückgeführt und erst im Februar 1948 endgültig repatriiert.

In Berlin arbeitete er ab Dezember 1948 als Volontär bei der Berliner Zeitung und im Jahr darauf als Redakteur in Ausbildung beim Illus-Bilderdienst. Nachdem 1953 die Wochenpost im SED-eigenen Berliner Verlag gegründet worden war, begann er dort als Redakteur für Rätsel, Denksport und Humor und begann parallel dazu ab 1954 ein Journalistik-Fernstudium an der Fakultät für Publizistik der „Karl-Marx-Universität“ in Leipzig. Das schloss er 1960 mit einer Diplomarbeit über den Journalisten und Schriftsteller Victor Auburtin ab, der von da an zu seinem Vorbild wurde. Schon 1957 war er zum Feuilletonchef der Wochenpost aufgestiegen.

 

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Foto Heinz Knobloch: Karl Deutscher

1968 begann er, seine berühmt gewordenen wöchentlichen Feuilletons „Mit beiden Augen“ für die Wochenpost zu schreiben und wurde damit zu einem weiteren literarischen Flaneur in Berlin. Wie zuvor schon Franz Hessel mit „Spazieren in Berlin“, Siegfried Kracauer mit seinen scharfsinnigen Beobachtungen des Berliner Alltagslebens oder Alfred Kerr in seinen „Berliner Briefen“. Knoblochs so informative wie humorvolle Artikel wurden von dem Maler und Grafiker Wolfgang Würfel illustriert.

Heinz Knobloch verfasste mehr als 1.500 Feuilletons und schrieb über 50 Bücher, darunter 1979 „Herr Moses in Berlin“, die wohl schönste Monographie über den Philosophen und Aufklärer Moses Mendelssohn. Oder 1985 „Meine liebste Mathilde“, ein literarisches Denkmal für Mathilde Jacob, die Sekretärin von Rosa Luxemburg. Und 1989 „Der beherzte Reviervorsteher“, die Geschichte des Polizisten Wilhelm Krützfeld, der in der November-Pogrom-Nacht von 1938 die Zerstörung der „Neuen Synagoge“ in der Oranienburger Straße verhindert hatte. Heinz Knobloch setzte sich unermüdlich dafür ein, dass an öffentlich zugänglichen Orten an diese Personen erinnert wird, genauso wie er 1982 der erste war, der für eine Gedenktafel am Ort der Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz sorgte.

Gefragt, ob er sich in der DDR als Widerständler gefühlt habe, antwortete er: „Ich hatte einen Erker, aus dem ich mich herauslehnen konnte. Mein Leben fand zwischen den Zeilen statt“. Knobloch war, wie die Berliner Zeitung treffend anmerkte, ein Mann der leisen Töne. Ungewöhnlich für die DDR, wo die offizielle Parteilinie alles zu übertönen suchte. Und genau auf diese Weise verschaffte er sich Gehör; das machte ihn dort zu einem der bekanntesten und beliebtesten Journalisten. Aber vielleicht auch ein Grund, warum ihn die neuen Presseherren nach der Wiedervereinigung einfach nicht mehr so wahrnehmen wollten. Den Flaneur und liebevollen Erzähler, „der als scheinbar harmloser Spaziergänger Fragen und Zweifel aufwirft, die den einseitigen Wahrheitsanspruch der DDR-Geschichtsschreibung unterminieren. Knoblochs subjektive Perspektive erlaubt es ihm, persönliche Empfindungen zu äußern oder vermeintlich kapriziöse Gedankenfiguren zu entwerfen, die ironisch die Gegenwart kommentieren.“ So heißt es dazu sehr treffend in „Metzlers Lexikon der DDR-Literatur“.

Heinz Knobloch wurde vielfach ausgezeichnet: In der DDR erhielt er 1986 den Nationalpreis III. Klasse für Kunst und Literatur und den Lion-Feuchtwanger-Preis, damals von der Akademie der Künste der DDR. Nach der Wiedervereinigung wurde er 1994 mit dem Moses-Mendelssohn-Preis für Toleranz ausgezeichnet: „Knobloch hat sich kontinuierlich für die Begegnung von Minderheiten und Mehrheiten eingesetzt, hat gegen eine latent vorhandene antijüdische Stimmung in der DDR geschrieben“, lautete die Begründung.

Heinz Knobloch starb am 24. Juli 2003 nach einem schweren Krebsleiden. Er wurde wunschgemäß im Familiengrab auf dem Johannis-Friedhof in Dresden-Tolkewitz beigesetzt.

Bei der Trauerfeier für Heinz Knobloch im Roten Rathaus Berlins sagte André Schmitz, damaliger Chef der Berliner Senatskanzlei: „Berlin sagt Adieu und Danke an seinen letzten großen literarischen Flaneur. Er war ein Wahrheitssuchender, unabhängig von jedwedem politischen System, in dem er lebte. Er arbeitete subtil mit Andeutungen zwischen den Zeilen wie kaum ein zweiter. In seinem charmant-verschmitzten Stil verschmolz die Berliner Schnauze auf unnachahmliche Weise mit der Herzlichkeit seines sächsischen Mutterwitzes.“

2005 wurde die Grünanlage vor seinem langjährigen Wohnsitz zwischen Masurenstraße und Samländischer Straße in Berlin-Pankow in Heinz-Knobloch-Platz umbenannt. Und das obwohl er seine Leser stets gewarnt hatte: „Misstraut den Grünanlagen!“ Weil dort früher oft ganz andere Dinge gestanden haben: Synagogen oder jüdische Krankenhäuser, Schulen oder Gemeindehäuser.

Noch heute existiert in Berlin ein „Freundeskreis Heinz Knobloch“, der sich regelmäßig trifft und das Andenken an Heinz Knobloch pflegt. Getreu nach dessen Feststellung: „Ein Mensch ist auch die Summe seiner Freunde.“

(hhb)

 

Informationen zu Werk und Wirkung unter www.heinz-knobloch.de

 

Berliner Kurier vom 25. Juli 2003: Der Spaziergänger von Berlin ist tot

Lothar Heinke im Tagesspiegel vom 8. August 2003: Das stille Lächeln zwischen den Zeilen: Adieu, Heinz Knobloch

Arno Widmann: Heute wäre Heinz Knobloch 80 Jahre geworden - Misstraut den Grünanlagen!

 

Bücher:

Heinz Knobloch: Mit beiden Augen – mein Leben zwischen den Zeilen; Transit Verlag, 1997

Heinz Knobloch: Das Lächeln der Wochenpost - Wie unsereiner Zeitung machte, Berlin 2002 - Jaron Verlag (ISBN 3-89773-050-2)

Knobloch, Heinz: Lässt sich das drucken? Feuilletons gegen den Strich, Gunter Reus, Jürgen Reifarth, Herausgeber, Konstanz, UVK Verlagsges., 2002, ISBN 3-89669-354-9

Heinz Knobloch / Rolf Pfeiffer: Schriftwechsel 1997-2003, von Liane und Peter Hüne (Herausgeber)