Wilhelm Hausenstein, ein universal gebildeter Kulturhistoriker, Kunstkritiker, Publizist, Schriftsteller und Diplomat sowie ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und Antisemitismus, war nach dem Zweiten Weltkrieg er der erste Botschafter aus der Bundesrepublik in Frankreich. Er setzte sich als Brückenbauer intensiv für die deutsch-französische Freundschaft ein.
Hausenstein wurde am 17. Juni 1882 in Hornberg, im mittleren Schwarzwald geboren. Er besuchte das humanistische Gymnasium in Karlsruhe und machte dort im Jahr 1900 sein Abitur. Danach studierte er Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Heidelberg und Tübingen sowie ab 1903 Nationalökonomie und Geschichte in München.
1907 wurde er SPD-Mitglied, engagierte sich in deren Gesellschaft zur Arbeiterbildung „Vorwärts“ und arbeitete mit an ihren Sozialistischen Monatsheften. Was trotz seiner Promotion mit „summa cum laude“ damals eine Habilitation und Hochschullaufbahn unmöglich machte. Darum arbeitete er als freier Schriftsteller, unternahm ausgedehnte Reisen nach Frankreich, Belgien, Österreich, Italien, Griechenland oder Kleinasien und berichtete darüber.
Copyright: Wilhelm-Hausenstein-Gesellschaft e.V., Hornberg
Während des Ersten Weltkriegs wurde er als guter Kenner Belgiens zur Pressesektion der deutschen Verwaltung in diesem besetzten Gebiet beordert. Dort war er Redakteur bei der von Anton Kippenberg, dem Verleger des Insel-Verlags, herausgegebenen deutschsprachigen Zeitschrift Der Belfried. Dazu schrieb er für die Frankfurter Zeitung. In Brüssel lernte er seine zweite Ehefrau, die Belgierin Margot Lipper geb. Kohn kennen, deren Ehemann Ende November 1916 im Lazarett verstorben war.
Im Oktober 1917 kehrte er nach Ende seines Dienstes aus Brüssel nach München zurück und begann für die Münchner Neuesten Nachrichten sowie weiter als freier Mitarbeiter für die Frankfurter Zeitung zu arbeiten. Außerdem war er Mitherausgeber des Neuen Merkur.
1919 trat er wieder aus der SPD aus, weil die ihm zu kompromissbereit mit den Rechten erschien.
Nach der NS-Machtübernahme erzwang die politische Polizei bereits im April 1933 seine sofortige Entlassung aus der Redaktion der Münchner Neuesten Nachrichten. Von 1934 bis 1943 aber blieb Hausenstein für das Literaturblatt und die Beilage Die Frau der Frankfurter Zeitung verantwortlich und redigierte beide Blätter von seinem Wohnsitz in Tutzing aus, obwohl er Ende 1936 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen wurde. Weil er sich weigerte, moderne Werke als entartete Kunst zu bezeichnen und Künstler jüdischen Glaubens aus der von ihm verfassten Kunstgeschichte zu entfernen, wurde er selber als „entarteter“ Kunstkritiker diffamiert. Noch nicht verkaufte Exemplare seiner Kunstgeschichte ließ das Propagandaministerium vernichten.
Die Reichsschrifttumskammer war eine von sieben Einzelkammern der im September 1933 von Goebbels gegründeten Reichskulturkammer, die das Ziel hatte, alle Bereiche im Kulturleben gleichzuschalten: bildende Künste, Theater, Buchverlage, Presse, Rundfunk, Film und Musik. Aber von der „Blut-und-Boden-Literatur“ der Nazis nahm auch das Literaturblatt keine Notiz; selbst Rosenbergs „Mythos des 20. Jahrhunderts“ wurde mit eisigem Schweigen übergangen.
1943 wurde Hausenstein wegen seiner jüdischen Ehefrau auch aus der Reichspressekammer ausgeschlossen und musste daraufhin die Redaktion der Frankfurter Zeitung verlassen, die kurz danach ihr Erscheinen einstellen musste.
Die Familie zog sich in Tutzing zurück und lebte von nun an mit der Gefahr, dass seine jüdische Frau Margot jederzeit abgeholt werden könnte. Ihre schließlich angekündigte Deportation konnte aber in den Wirren der letzten Kriegstage nicht mehr vollzogen werden. Ihre gemeinsame Tochter war bereits 1942 nach Brasilien emigriert.
In diesen Jahren ab 1943 arbeitete Hausenstein an seiner Autobiographie und bereitete spätere Veröffentlichungen vor.
Nach Kriegsende gehörte er zu den Mitgründern der Süddeutschen Zeitung – deren Name von ihm stammte. Er lehnte es aber wegen seiner angegriffenen Gesundheit und seines fortgeschrittenen Alters ab, die Chefredaktion zu übernehmen. Er lieferte der SZ aber Artikel und Beiträge, genau wie der Neuen Zeitung, der Badischen Zeitung und den Zeitschriften Gegenwart, Hochland oder Wandlung.
Ansonsten verfolgte er nach Kriegsende literarische Pläne – etwa die Gründung einer Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, die am 28. August 1949, am 200. Geburtstag von Goethe in der Frankfurter Paulskirche gegründet wurde, von 48 Schriftstellerinnen und Schriftstellern, neben Hausenstein unter anderem Adolf Grimme, Erich Kästner und Marie Luise Kaschnitz.
Auf persönliche Bitte von Konrad Adenauer ging er ab Juli 1950 zunächst als Generalkonsul nach Paris, wurde dort anschließend Geschäftsträger und dann erster Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Frankreich. 1955 wurde er als erster Deutscher in diesem Jahrhundert Grand Officier de la Légion d’Honneur. Das Land Baden-Württemberg ernannte ihn zum Professor.
Wilhelm Hausenstein starb am 3. Juni 1957 in München und wurde dort auf dem Friedhof in Bogenhausen beigesetzt.
Er hinterließ rund 80 Bücher, darunter Reiseberichte, diverse Enzyklopädien über Kunst- und Kulturgeschichte, Monographien etwa über Bruegel, Carpaccio, Giotto, Corinth, Degas, Grünewald oder Rembrandt und Erinnerungen an sein eigenes bewegtes Leben, etwa seine Autobiographie „Lux Perpetua“.
(hhb)
Quellen:
Wilhelm Hausenstein - Pseudonym Johann Armbruster / Deutsche Biographie
Biographie Wilhelm Hausenstein
Wilhelm-Hausenstein-Gesellschaft e.V. Hornberg
Barbara Flach: Wilhelm Hausenstein – Wege eines Europäers / NordOst/Magazin 2010
Bücher:
Wilhelm Hausenstein: Lux Perpetua – Geschichte einer deutschen Jugend aus des 19. Jahrhunderts Ende / Verlag Freiburg-München Karl Alber 1952
Günther Gillessen / Auf verlorenem Posten – die Frankfurter Zeitung im Dritten Reich / Siedler-Verlag