Peter de Mendelssohn war ein deutsch-britischer Publizist, der das Zeitungshandwerk und den Journalistenberuf in den 20er Jahren beim Berliner Tageblatt und bei der Nachrichtenagentur United Press gelernt hatte. Wegen seiner jüdischen Abstammung emigrierte er 1933. Seit 1936 lebte er in London und arbeitete dort während des Zweiten Weltkriegs im britischen Staatsdienst, u.a. für das Informationsministerium. 1945 kehrte er als Presseoffizier nach Deutschland zurück, um zunächst in Berlin dabei zu helfen, sog. Heeresinformations-Zeitungen als Gegengewicht zur dort bereits verbreiteten Sowjet-Presse zu starten. Anschließend wirkte er entscheidend beim Aufbau eines demokratischen Pressewesens mit.
Peter de Mendelssohn wurde am 1. Juni 1908 als Sohn eines Goldschmieds in München geboren. Seine Jugend verbrachte er in der Gartenstadt Hellerau bei Dresden. Später besuchte er die Internatsoberrealschule in Straußberg, wo er 1926 sein Abitur ablegte. Sein Studium in Staatswissenschaften und Englisch musste er wegen Geldmangel nach zwei Semestern abbrechen.
In Berlin begann er ein Volontariat beim Mosse-Verlag, in der Redaktion des Berliner Tageblatts. Und wurde als Hilfskorrespondent des Blattes nach London geschickt. Nach seiner Rückkehr arbeitete er auch einige Jahre als Redakteur für die amerikanische Nachrichtenagentur United Press.
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Ab 1929 lebte er zeitweise in Frankreich, weitgehend als freier Schriftsteller. Dort entstand 1930 sein Roman „Fertig mit Berlin“ – eine kritische Beschreibung des geistigen Klimas damals in der deutschen Hauptstadt, ergänzt durch seine Eindrücke aus der dortigen Zeitungswelt. Nach der Machtergreifung durch die Nazis ging er 1933 endgültig ins Exil, zunächst nach Frankreich und ab 1936 nach London. Dort arbeitete er als Schriftsteller und Journalist, etwa für das Prager Tageblatt. Nach einiger Zeit leitete er die Auslandsabteilung des britischen Nachrichtendienstes Exchange Telegraph. Während des Zeiten Weltkriegs berief man den mittlerweile britischen Staatsbürger ins Informationsministerium und versetzte ihn anschließend als Presseoffizier ins vereinigte anglo-amerikanische Hauptquartier SHAEF von General Eisenhower.
Anfang 1945 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde im Juli 1945 der Informations-Kontrollabteilung in Berlin zugeordnet. Wo er bis Herbst 1948 als Presseberater der britischen Kontrollkommission tätig war. Zu Beginn stellten die Besatzungsmächte erst einmal alle deutschen Medien ein. Dann beschlagnahmten sie die unzerstört gebliebenen Druckereien und Verlagseinrichtungen, um damit ihre sogenannte Heeresgruppenpresse zur Information der Bevölkerung herzustellen.
Peter de Mendelssohn kannte sich in Berlin und im früheren Zeitungsviertel recht gut aus. Die Sowjets hatten Berlin da schon Monate vor den West-Alliierten besetzt und bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Die Berliner Bevölkerung wurde seit Mai 1945 recht einseitig durch die Berliner Zeitunginformiert sowie durch die Tägliche Rundschau der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland.
Der Brite De Mendelssohn arbeitete für die amerikanische Sektion der Informations-Kontrollabteilung und verhinderte zunächst eine Demontage des im amerikanischen Sektor liegenden Tempelhofer Druckhauses von Ullstein durch die Russen. Und veranlasste Reparaturarbeiten mit Hilfe ehemaliger Ullstein-Mitarbeiter.
So konnte die Allgemeine Zeitung, herausgegeben von der amerikanischen Armee, ab 8. August 1945 erstmals erscheinen. Vom amerikanischen Stadtkommandant General Parks stammte das Geleitwort:
„Als kommandierender General der amerikanischen Besetzungszone Berlins begrüße ich es, daß die amerikanische Zone in der Allgemeinen Zeitung ihr erstes Blatt in deutscher Sprache erhält. Dieser Zeitung fällt die wichtige Aufgabe zu, den Bekanntmachungen, Verlautbarungen und Anregungen der Militärregierung weitestgehende Verbreitung unter den Einwohnern Berlins zu sichern und auf diese Weise das Wiederaufbauwerk in der Stadt zu fördern und zu erleichtern ... Die Allgemeine Zeitung wird überdies durch einen sachlichen und informierenden Nachrichtendienst dazu beizutragen versuchen, die Verbindung Berlins mit den übrigen Besatzungszonen Deutschlands und mit der Welt wiederherzustellen ... Nachrichten und Kommentare werden in der Allgemeinen Zeitung deutlich erkennbar voneinander getrennt sein.“
Die wichtigste Nachricht in dieser Erstausgabe befasste sich mit dem Abwurf einer Atombombe am 6. August auf Hiroshima.
Für die Redaktion der Allgemeinen Zeitung hatte de Mendelssohn mehrere ihm bekannte und weitgehend NS-unbelastete Journalisten zusammengetrommelt: Als Redaktionsleiter agierte Hans Wallenberg, mittlerweile amerikanischer Staatsbürger. Lokalnachrichten steuerte der frühere Chefredakteur der Morgenpost Otto Robolsky bei.
Besagte Allgemeine Zeitung war aber nur als Zwischenlösung gedacht: Amerikaner wie Briten wollten die Presse so schnell wie möglich wieder in deutsche Hände legen, in allerdings unbeschmutzte. Mit der Lizenzvergabe zunächst in Berlin war Peter de Mendelssohn beauftragt. Er sollte geeignete Kandidaten möglichst unterschiedlicher Couleur finden, damit nicht erneut Meinungsmonopole entstehen konnten. Ein Memorandum von Erik Reger mit dem konkreten Konzept von einer Vierergruppe überzeugte de Mendelssohn. Und der dann seinen Vorgesetzten General McClure, der am 14. September 1945 die Lizenzvergabe an Reger & Co. genehmigte.
Bereits am 27. September 1945 erschien Der Tagesspiegel in Berlin, als erste Zeitung nun wieder aus deutscher Hand.
De Mendelssohn war dann Sonderberichterstatter bei den Nürnberger Prozessen für die New Yorker Nation und den Londoner New Statesman. Aber auch für den Der Tagesspiegel in Berlin, in dem eine Nürnberg-Reportage (als PDF) am 29. November 1945 erschien.
Dann wurde er Pressechef der britischen Kontrollkommission. Die Briten beriet er bei der Lizensierung des Telegraph in Berlin und bei der Gründung ihrer überregionalen Zeitung für die britische Besatzungszone, für Die Welt in Hamburg.
1948 schied er aus dem britischen Staatsdienst aus und arbeitete fortan als Deutschlandkorrespondent für den Observer. 1949 kehrte er nach London zurück und berichtete von dort vorübergehend für die von Hans Wallenberg geleitete überregionale Neue Zeitung der Amerikaner. Von 1954 bis 1979 war er politischer und kultureller Berichterstatter für den Bayerischen Rundfunk. Und verfasste mehrere politische Bücher.
1970 kehrte er endgültig in seine Heimatstadt München zurück, nahm die deutsche Staatsbürgerschaft wieder an und betätigte sich fortan vor allem schriftstellerisch. Besonders mit dem Werk von Thomas Mann, mit dessen Familie er von Jugend an freundschaftlich verbunden war.
Ein für Medienmenschen wichtiges Werk ist sein „Zeitungsstadt Berlin – Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse“. Ein Sachbuch über die Bedeutung der Publizistik in der Reichshauptstadt vor und nach den beiden Weltkriegen.
1975 wurde er Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung; 1976 erhielt er den Bayerischen Verdienstorden und 1978 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.
Peter de Mendelssohn starb am 10. August 1982 in München und wurde dort auf dem Bogenhausener Friedhof begraben.
(hhb)