Der Kabarettist, Komponist, Autor und Publizist Günter Neumann war ein vielseitiges Talent. Er hielt nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur die eingeschlossenen Westberliner bei Laune – dort zunächst mit seiner Satire-Zeitschrift Insulaner – und anschließend ganz Deutschland mit der Hörfunk-Serie „Günter Neumann und seine Insulaner“. Eine der beliebtesten Sendereihen des Berliner Rundfunksenders RIAS, die bald von anderen Sendern übernommen wurde.
Günter Christian Ludwig Neumann wurde am 19. März 1913 in Berlin geboren. Nach Ende seiner Schulzeit besuchte er die Musikhochschule in seiner Heimatstadt und das Nachwuchsstudio des Berliner „Kabarett der Komiker KadeKo“. Bald darauf durfte er die Programme in Werner Fincks Katakombe und in Valeska Gerts Kohlkopp am Klavier begleiten. Mit Erfolg hatte er zudem begonnen, an der Programmgestaltung mitzuarbeiten und von ihm erdachte Texte und Chansons beizusteuern. Auch für Trude Hesterbergs „Musenschaukel“ schuf er neue Kompositionen, genau wie für das von Friedrich Holländer gegründete Varieté „Tingel-Tangel“.
Als Werner Fincks Katakombe und das Tingel-Tangel 1935 auf Betreiben von Goebbels geschlossen wurden, kehrte Neumann ins KadeKo zurück und brachte dort 1937 die Sport-Revue „Gib ihm“ heraus – mit Werner Finck, Rudolf Platte und Tatjana Sais, die er im Jahr darauf heiratete. Obwohl er sich im Dritten Reich politisch zurückhielt, wurde er wie fast alle seine Kollegen immer mal wieder von der Gestapo einbestellt oder verhaftet, verhört und durchsucht. Später spöttelte er darüber: „Schon das Lachen des Publikums im Theater galt als staatszersetzend.“
Copyright: Günter-Neumann-Stiftung / photo by Fritz Eschen, 1 Berlin 31, Bundesplatz 1
Im Zweiten Weltkrieg organisierte er Tourneen zur Unterhaltung der Soldaten. Dann, „am 20. April 1945 kapitulierte ich in Leipzig bedingungslos und bekam dafür ein Päckchen Chesterfield“. Er kam in Gefangenschaft, zunächst in einem Camp der US-Army am Rhein, wurde dann nach Chartres nahe Paris verlegt. Dort gründete er ein Lager-Kabarett und ein kleines Jazzorchester. Sie spielten auf vielen Partys der Amerikaner und konnten so die Verpflegung aufbessern.
1946 kehrte Neumann via Frankfurt nach Berlin zurück und begann, wieder fürs Kabarett zu komponieren und zu texten. 1947 arbeitete er an der Revue „Alles Theater“ mit, die Gustav Gründgens im Kabarett Ulenspiegel inszenierte. Und im Jahr darauf kreierte er „Schwarzer Jahrmarkt“ – wieder für den Ulenspiegel, mit Karl-Heinz Schroth als Regisseur. Aus dem Schwarzer Jahrmarkt machte Neumann das Drehbuch für den Film ► „Berliner Ballade“, der 1948 in die Kinos kam, mit Gerd Fröbe als „Otto Normalverbraucher“.
Während der Berlin-Blockade, als West-Berlin elf Monate von den Sowjets abgeriegelt war und nur noch aus der Luft versorgt werden konnte, startete Günter Neumann im September 1948 die Zeitschrift der Insulaner.
Für Weihnachten 1948 schrieb er für den Rundfunksender RIAS ein Kabarettprogramm „Der Club der Insulaner“. Damit wollte er die eingeschlossenen Berliner etwas aufzuheitern und auch ein wenig Werbung für seine Zeitschrift machen. Niemand hatte an eine Sendereihe gedacht – doch aus der Weihnachtssendung wurde der Dauererfolg „Günter Neumann und seine Insulaner“. Damals noch so ein Lagerfeuer, um das sich einmal im Monat samstags die ganze Familie versammelte. Nicht allein, um Neumanns zu Evergreens gewordene Songs wie „Der Insulaner“ oder „Seh’n Se, das ist Berlin“ zu hören, sondern vor allem, was er und seine Kabarettisten zur Lage der Nation und vor allem aus Berlin zu berichten wussten. Dazu gehörten neben anderen Bruno Fritz, Joe Furtner, Walter Gross, Tatjana Sais, Ethel Reschke, Edith Schollwer oder Agnes Windeck. Da blieb kein Auge trocken, denn nun durfte wieder laut und herzlich gelacht werden, über den phrasendreschenden Jenossen Funzionär aus der SED, über Professor Quatschnie aus der Sowjetunion oder den Herrn Kummer.
Die Zeitschrift der Insulaner wurde 1949 eingestellt – Neumann konnte sich so ganz auf seine monatlichen Rundfunksendungen konzentrieren, die bald auch im Fernsehen gezeigt wurden. Seine fast 150 Folgen wurden bis 1961 ausgestrahlt; denn nach dem Mauerbau hielt Günter Neumann die weltpolitische Lage als zu ernst für solche Späße.
Neumann hat jede Menge Drehbücher geschrieben: für „Herrliche Zeiten“ (1950); „Feuerwerk“ (1954); „Das Wirtshaus im Spessart“ (1957) oder „Wir Wunderkinder“ (1958). 1960 arbeitete er zusammen mit dem von ihm immer bewunderten Friedrich Holländer an dem Film „Das Spukschloss im Spessart“. Holländer komponierte die Musik, Neumann schrieb das Drehbuch und die Songtexte. Und er übersetzte den Text von Cole Porters Musical „Kiss me Kate“, das dann als „Küss mich Kätchen“ in der Komödie am Kurfürstendamm aufgeführt wurde.
1958 war Neumann nach München gezogen, wo er weiter fürs Fernsehen arbeitete. So schrieb er Erkennungsmelodien und Chansons für Hans Rosenthals „Dalli Dalli“ und immer mal wieder Einzelbeiträge für die satirische Hörfunksendung „Rückblende“, als diese in den 6oer Jahren vom NDR auch fürs Fernsehen produziert wurde.
Günter Neumann starb am 17. Oktober 1972 im Alter von 59 Jahren in München und wurde in Berlin in einem Ehrengrab im Kirchhof der Luisen-Gemeinde beigesetzt.
Ernst Reuter hatte ihm die Berliner Freiheitsglocke verliehen. Dessen Nachfolger Klaus Schütz hielt am Grab eine kurze Ansprache pries ihn als eine Stimme der Stadt: „Die Bürger in beiden Teilen der Stadt, ja viele Menschen trauern um Günter Neumann. Berlin hat einen Mann verloren, der es in guten und schlechten Tagen der Nachkriegszeit wie nur wenige verstanden hat, den Berlinern eine Stimme eigener Art zu geben und der es verstanden hat, dieser Stimme weit über die Stadt hinaus Gehör zu verschaffen.“ Was in der Tat auch Störsender der DDR nicht ganz verhindern konnten.
(hhb)
Quellen
Volker Kühn: Neumann, Günter Christian Ludwig / Deutsche Biographie
Bücher und CDs
Günter Neumann und seine Insulaner mit Aufnahmen aus den Jahren 1948 – 1964 Günter-Neumann-Stiftung in Zusammenarbeit mit Baer Family Records
Volker Kühn: Wir sind so frei – Kabarett in Restdeutschland 1945 – 1970 / Quadriga Verlag 1993
Doppel-CD "Schlag nach bei Neumann - Chansons Schlager Songs" (Audio-CD Duo-Phon-Records), 2011, EAN-Nr. 4012772057331 EDITION Berliner Musenkinder