Werner Finck

Der deutsche Kabarettist, Satiriker, Autor und Kolumnist Werner Finck hatte seine großen Erfolge Ende der 20er Jahre und in der NS-Zeit, wegen seiner in den Augen der Nazis geradezu defätistischen Pointen. Die er nicht nur im Kabarett, sondern auch als satirischer Kolumnist in Zeitungen und Zeitschriften verbreitete, dank seiner Fähigkeit, Worte und Begriffe im Doppelsinn zu nutzen. Immer gemäß seines Lebensmottos: „Lächeln ist die schönste Art, dem Gegner die Zähne zu zeigen.“

Werner Paul Walther Finck wurde am 2. Mai 1902 als Sohn eines Apothekers in Görlitz/Niederschlesien geboren. Dort besuchte er das Gymnasium, allerdings ohne das Abitur zu schaffen. Dafür bestand er die Aufnahmeprüfung an der Dresdner Kunstschule.

Sein beruflicher Start war alles andere als gradlinig: zuerst als Redaktionsvolontär, dann als Gelegenheitsdarsteller bei verschiedenen Theatergruppen und nach Schauspielunterricht in Dresden mit 23 Jahren sein erstes Engagement am Theater im niederschlesischen Bunzlau. 1928 begann er dann als Conferencier und Darsteller in verschiedenen Kabaretts. Ein Jahr später gründete er mit dem Schauspieler Hans Deppe das literarisch-politische Kabarett „Katakombe“ und wurde dessen Leiter. Der schnelle Erfolg beim Publikum war Grund dafür, dass auch Autoren wie Erich Kästner oder Kurt Tucholsky Texte für das Kleinkunsttheater schrieben. Und genau dort begann auch Finck‘s sublimer Widerstand gegen den aufkommenden Nazismus.

Immer wieder lief Finck zu großer Form auf und brachte Goebbels und die Gestapo durch Zivilcourage und mit geistreichen Wortspielen und Andeutungen zur Weißglut – die Berliner aber zum Lachen. Ab 1934 waren an jedem Abend NS-Spitzel im Theater, die er lächelnd enttarnte: „Entschuldigen Sie, spreche ich zu schnell? Kommen Sie mit? Oder – muss ich mitkommen?“ Solche Pointen machten nicht nur in Berlin die Runde, sie führten immer mal wieder zu vorübergehenden Schließungen. Die erklärte Finck seinem Publikum dann so: „Gestern waren wir zu, heute sind wir offen, wenn wir morgen zu offen sind, werden wir übermorgen wieder zu sein.“

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Copyright: Von Alexander Binder (* 1888 in Alexandria; † 25. Februar 1929 in Berlin) - Volker Kühn: Die zehnte Muse - 111 Jahre Kabarett. vgs Verlagsgesellschaft Köln, 1993, Bild-PD-alt, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=6119915

Im Sommer 1935 platzte dem Propagandaminister endgültig der Kragen: Grund dafür war ein Sketch über eine Anprobe beim Schneider, die in Teilen so ablief:

Schneider: „Dann darf ich vielleicht mal maßnehmen.“
Kunde: „Doch, doch, das sind wir gewöhnt.“
Schneider: „Ach, bitte stehen Sie doch einmal grade.
Kunde: „Für wen?“
Schneider: „Und jetzt bitte den Arm hoch. Mit geschlossener Faust ... 18/19. Und jetzt mit ausgestreckter Hand ... 33 ... Ja, warum nehmen Sie denn den Arm nicht herunter? Was soll denn das heißen?“
Kunde: „Aufgehobene Rechte ...“

Finck wurde wegen „Vergehens gegen das Heimtückegesetz“ verhaftet und zwecks Umerziehung ins Konzentrationslager Esterwegen eingeliefert, wo er Carl von Ossietzky traf. Dort musste er aber nur für kurze Zeit bleiben – schon am 1. Juli 1935 wurde er auf Betreiben von Göring wieder entlassen.

Zurück in Berlin wurde er vor den Volksgerichtshof gestellt, wo er die beanstandete Kabarettnummer der Anprobe beim Schneider nachspielen musste, sehr zur Gaudi der Prozessbeobachter. Er erhielt ein Jahr Arbeitsverbot.

1936 sollten die Olympischen Spiele in Berlin stattfinden und der preußische Ministerpräsident Göring wollte Berlin dann der Weltöffentlichkeit als tolerante Weltmetropole präsentieren. Finck war inzwischen weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt, schon darum sollte die „Katakombe“ unbedingt wieder geöffnet werden.

Während der Spiele durfte Finck sogar Kolumnen für das Berliner Tageblatt schreiben, die auch von anderen Zeitungen übernommen wurden. Das Berliner Tageblatt hatte ihn gebeten, die Olympischen Spiele vom 1. bis zum 16. August 1936 mit einer amüsanten täglichen Glosse über das Geschehen an den jeweiligen Tagen zu begleiten. Was er gern und wie gewohnt in süffisanter Weise erledigte: „Über den Kampf der Wagen und Gesänge“, über den Fahnenwald „Über Unter den Linden“ oder über die Ruderwettbewerbe in Grünau „Grünau oder das verlorene Paradies“. Am Ende der Spiele verabschiedete er sich in seinem letzten Beitrag so: „Die Gäste der Welt reisen ab. Niemals bisher sind sie so glänzend aufgenommen worden wie hier. Darüber herrscht kein Zweifel. Die bleibende Frage ist nur: Wie wird Leni alles aufgenommen haben?“ Leni Riefenstahl, die den Olympiafilm gedreht hatte – auch zu Propagandazwecken in aller Welt.

Finck stellte sie sich jetzt an ihrem Schneidetisch vor, wie sie sich dort die Filmnegative von Jesse Owens‘ sensationellen Siegen anschaute, über die sich der Führer überhaupt nicht freuen wollte. „Und plötzlich sieht sie’s negativ, wie positiv der Neger lief. Im Negativ werden wir gerächt: Ganz vorn, Meter voraus, läuft der weiße Mann, hintennach kommen die Schwarzen!“

Ab 1937 durfte er wieder auftreten, im „Kabarett der Komiker“. Dort durfte gespielt werden, weil sein Leiter Willi Schaeffers Goebbels zugesagt hatte, auf politische Kritik zu verzichten. Finck stellte er sich daher bei seinem ersten Auftritt so vor: „Ich bin der Finck – leicht gedrosselt.“ Friedrich Luft schrieb später über ihn: „Er hatte kein Programm, auf eine Ideologie war er nie eingeschworen. Aber sein Witz und seine Lust am Widerspruch und am Widerstand zuckten, sobald er das Gefühl hatte, man wolle seine Freiheit beschneiden.“

Aber 1939 wurde Finck von der Reichskulturkammer ausgeschlossen und erhielt damit endgültig Berufsverbot. Der Druck auf ihn nahm spürbar zu. Darum meldete er sich freiwillig zum Wehrdienst und wurde zum Funker ausgebildet. Im Zweiten Weltkrieg diente er in Frankreich, in der Sowjetunion und in Italien, zuletzt zur Truppenbetreuung. 1945 kam er in amerikanische Gefangenschaft und gründete dort die Zeitschrift Fieberkurve für verletzte deutsche Kriegsgefangene. Im Lager Aibling durfte er wieder auftreten, vor Kriegsgefangenen ganz ohne Zensur.

Nach seiner Entlassung gab er von 1945 bis 1949 in Stuttgart die erste Satirezeitschrift nach dem Krieg heraus, Das Wespennest. Und setzte seine Karriere als Kabarettist fort, zunächst im Zürcher „Nebelhorn“. Bertolt Brecht widmete ihm 1947 das Gedicht „Eulenspiegel überlebt den Krieg“. 1948 gründete er dann in Stuttgart „Die Mausefalle“. Später trat er in der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ auf und absolvierte zunehmend Solo-Auftritte in vielen Städten und Gemeinden des Landes, nicht immer zur Freude der nun ach so demokratischen Bundespolitiker, besonders aus den Reihen der CSU.

Er verfasste zahlreiche Bücher, publizierte in Zeitungen und nahm Schallplatten auf. Er spielte in zahlreichen Filmen mit, wurde politisch-satirischer Mitarbeiter beim Nordwestdeutschen Rundfunk für Programme wie „Am Besten nichts Neues“ oder „Der brave Soldat schweigt“ und hatte ab Mitte der 50er Jahre auch Auftritte im Fernsehen. Mit anderen Worten: Werner Finck war jetzt multimedial unterwegs.

1973 erhielt er das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik und wurde 2004 mit einem „Stern der Satire“ auf dem „Walk of Fame des Kabaretts“ in Mainz geehrt.

Am 31. Juli 1978 starb er im Alter von 76 Jahren in München und wurde dort auf dem Waldfriedhof beigesetzt.

 

(hhb)

 

Quellen

Herbert Hupka: Finck, Werner / Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen

Werner Finck / Gesprochene Deutsche Lyrik

Werner Finck im Gespräch mit Friedrich Luft / Bayerischer Rundfunk 1964

Martin Baxmeyer: Rufen wir dem Adolf Heil oder auch das Gegenteil / März 2002

Rainer Blasius: Narrenkappe und Stahlhelm / FAZnet 15.6.2015

Regina Kusch: Das kurze Leben des Berliner Kabaretts ‚Die Katakombe‘ / Deutschlandfunk am 16.10.2019

Peter Ufer: Ein Spaßvogel aus Sachsen macht Ernst / Sächsische Zeitung 30.4.2022

Werner Finck: Steffi-Line

Dieter Hildebrandt: Ein Drink bei Werner Finck

 

Bücher

Werner Finck: Finckenschläge / Herbig Berlin 1953

Werner Finck: Der brave Soldat Finck – zuvor: Der brave Soldat schweigt / Herbig Berlin 1975

Werner Finck: Heiter – auf verlorenem Posten / 1982

Werner Finck: Alter Narr, was nun?  / Herbig Berlin 1972

Werner Finck: Spaßvogel – vogelfrei / Ullstein1991

Swantje Greve: Werner Finck und die ‚Katakombe‘. Ein Kabarettist im Visier der Gestapo / Verlag Hentrich & Hentrich 2015 – Reihe: Topographie des Terrors