Sibylle Bergemann

Sibylle Bergemann hat mit ihren Arbeiten Fotogeschichte geschrieben. In der DDR wurde sie vor allem durch ihre Modeaufnahmen für die gleichnamige Zeitschrift Sibylle bekannt. Ihre Fotos dort zeigten stets Frauen im täglichen Leben und keine Modepuppen – also Bilder zwischen dem Traum von Außergewöhnlichem und der gesellschaftlichen Lebensrealität. Auch ihre fotografischen Essays und Reportagen beeindruckten mit sensiblen Bildern aus Stadt und Land, genau wie ihre Porträts von Menschen und Tieren. Damit wurde sie zur international bekanntesten Fotografin der DDR. Nach der Wende gründete sie mit Kollegen die Fotoagentur „Ostkreuz“ und konnte von da an ihre Fotoarbeit auch überall in der Welt fortsetzen.

Sibylle Bergmann wurde am 29. August 1941 in Berlin geboren. Ab 1968 absolvierte sie eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete zunächst in diesem Beruf weiter. Von 1965 bis 1967 war sie Redaktionsmitglied der auflagenstarken Kulturzeitschrift Das Magazin. Ab 1966 ließ sie sich von Arno Fischer, ihrem späteren Ehemann, zur Fotografin ausbilden und wurde ab 1967 als freischaffende Fotografin in der „Gruppe Direkt“ tätig. Schon bald wurden ihre Fotos in der Wochenzeitung für Kunst und Kultur Sonntag, in Das Magazin sowie von der Modezeitschrift Sibylle veröffentlicht. Wie zum Beispiel in den 70er Jahren ihre so atmosphärische Fotoserie für den Sonntag, mit den schwofenden Tanzpaaren und einsamen Herzen in Clärchens Ballhaus.

 

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Copyright: Frieda von Wild, Nachlassverwalterin von Sibylle Bergemann, OSTKREUZ - Agentur der Fotografen GmbH

1974 bekam sie eine Einzelausstellung im Haus der Jungen Talente und dokumentierte zwischen 1975 und 1986 den Bau des Marx-Engels-Forums am Alexanderplatz in Berlin-Mitte. Verboten wurden Sibylle Bergemanns Bilder in der DDR nie – oft genug aber nicht gedruckt. Vielleicht weil die auf die Gerontokratie dort manchmal als zu abgehoben-avantgardistisch wirkten?

1990, nach der Wende, war sie Gründungsmitglied der Fotoagentur „Ostkreuz“, wurde Mitglied in der Akademie der Künste und gab ihre Erfahrungen an junge Nachwuchsfotografen weiter. Als Mitgründerin einer Schule für Fotografie am Schiffbauerdamm sowie später in der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin-Weißensee. Didaktische Lehrtätigkeiten, die ihr sehr am Herzen lagen.

Schon zu DDR-Zeiten war ihre Wohnung nahe des Bahnhofs Friedrichstraße ein beliebter Treffunkt für Fotografen, Schauspieler, Schriftsteller und Intellektuelle aus der DDR sowie für Fotografen aus aller Welt – wie Henri Cartier-Bresson, Helmut Newton oder Ellen Auerbach.

Von nun an kamen auch Bergemanns Fotothemen aus New York, Paris, Venedig und besonders farbenfroh aus Afrika. Gedruckt wurden sie jetzt in GEO, Stern, Spiegel, ZEIT oder im Magazin der New York Times. „Sie wolle Wirklichkeit in ihre Bilder bringen“, sagte Sibylle Bergmann über ihr Werk. Was ihr stets gelungen ist, als Chronistin der DDR wie später mit ihren einfühlsamen Fotos aus aller Welt.

2004 mussten Sibylle Bergmann und ihr Mann nach knapp 30 Jahren ihre geliebte Altbauwohnung am Schiffbauerdamm wegen Eigenbedarf verlassen und zogen hinaus aufs Land nach Gransee. Dort starb sie am 1. November 2010 im Alter von nur 69 Jahren.

Inzwischen wurden und werden ihre Fotoarbeiten immer wieder in zahlreichen Einzelausstellungen gezeigt, unter anderem in Dresden, Sao Paulo, New York, Bratislava oder zuletzt 2022 in der Berlinischen Galerie. Und Sabine Michel drehte für arte über sie den Film „Take a Picture – Die Fotografin Sibylle Bergemann“, der mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet wurde.

(hhb)