Die amerikanische Autorin und Journalistin Martha Gellhorn berichtete fast 50 Jahre lang als Augenzeugin aus neun Kriegen in aller Welt. Alles begann 1937/38 im spanischen Bürgerkrieg. Danach berichtete sie von der Besetzung des Sudetenlands und vom russischen Angriff auf Finnland. Im Zweiten Weltkrieg war sie an allen Fronten dabei. Ab 1947 berichtete sie mehrfach über den arabisch-israelitischen Konflikt, 1966 aus Vietnam, 1967 über den Sechstagekrieg und noch im Alter von 81 Jahren über die US-Invasion in Panama. Sie beschrieb auch die Kriegsfolgen: Ihr schlimmstes Erlebnis sei der Besuch im Konzentrationslager Dachau gewesen, kurz nach dessen Befreiung.
Martha Ellis Gellhorn wurde am 8. November 1908 in St. Louis/Missouri geboren. Sie war die Tochter eines Gynäkologen, der aus Breslau stammte und der vor dem Antisemitismus und Militarismus im Kaiserreich nach Amerika geflohen war.
Schon während ihrer Schulzeit und danach während ihrer College-Ausbildung schrieb sie Glossen und kleine Artikel für verschiedene Lokalredaktionen. 1929 im Alter von 21 Jahren brach sie ihr Studium ab, um endgültig Journalistin zu werden. Ihr Berufsziel war aber Auslandskorrespondentin. So ging sie für mehrere Jahre nach Europa. In Paris arbeitete sie bei United Press und berichtete für amerikanische Magazine und Zeitungen über die neuesten Pariser Modetrends und über den Verlauf der dort stattfindenden internationalen Konferenzen. Später schrieb sie auch für Vogue.
1934 zurück in den USA analysierte sie als Fürsorgeforscherin für die FERA Federal Emergency Relief Administration vor Ort die sozialen Verwerfungen und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen, welche die Große Wirtschafts-Depression in der amerikanischen Bevölkerung hinterlassen hatte und verarbeitete ihre Erkenntnisse zu Sozial-Reportagen. Aus dieser Tätigkeit entstand eine lebenslange Freundschaft mit Eleanor Roosevelt.
Martha Gellhorn and Ernest Hemingway with unidentified Chinese military officers, Chungking (Chongqing), China, 1941.
Copyright: Ernest Hemingway Photograph Collection, John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston (Wikimedia gemeinfrei)
1936 war sie wieder in Deutschland, in Berlin zur Zeit der Olympischen Spiele. Sie ließ sich dort aber nicht von der Propaganda blenden und erkannte durch eigene Anschauung und in Gesprächen, zu was die Nazis in der Lage waren. Sie entwickelte sich von einer Pazifistin zur engagierten Antifaschistin.
Zu welcher Brutalität Faschisten fähig waren, erfuhr sie 1937 in Spanien, wo sie auf Seiten der Internationalen Brigaden stand. An Magazine wie Collier’s oder New York Times schickte sie aus dem von Franco belagerten Madrid gut recherchierte und detailgenaue Reportagen, immer auch mit persönlichen Kommentaren. Denn Objektivität bezeichnete sie zeitlebens als „shit“. So half sie, das Genre Kriegsberichterstattung weiter zu entwickeln.
In Spanien verliebte sie sich in Ernest Hemingway und wurde seine dritte Frau. Die Ehe endete aber schon nach vier Jahren, denn Martha Gellhorn war eine journalistische Power-Frau, sie wollte weiterhin für die großen Zeitungen in den USA berichten. Was der eifersüchtige und mittlerweile heftige Trinker Hemingway sich etwas anders vorgestellt hatte. „Was willst du eigentlich sein, Kriegskorrespondentin oder die Frau in meinem Bett?“ soll er sie einmal gefragt haben.
Ihre Antwort war eindeutig: raus aus der Glamourwelt und wieder zurück an die Kriegsfronten in aller Welt. Martha Gellhorn hatte die Entwicklungen erkannt, vor denen die Welt und besonders die USA noch die Augen verschloss. In ihren Artikeln, aber auch auf Lesereisen und Kongressen trat sie für Freiheit ein und warnte vor dem Faschismus in Europa. Dazu schrieb sie 1938 an Eleanor Roosevelt: „Was hier geschieht, geht alle an, die nicht in einer Welt leben wollen, deren Bibel ‚Mein Kampf‘ ist“.
Unmittelbar nach Abschluss des „Münchner Abkommens“ schilderte sie den Einmarsch der Wehrmacht ins Sudetenland und warnte vor Hitlers Streben nach weltweiter Eroberung, auch durch persönliche Auftritte in den USA. Vor Ort war sie dann bei der russischen Invasion in Finnland. 1941 berichtet sie aus China über den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg und von ihren Treffen mit Chiang Kai-shek und Zhou Enlai – zu einer Zeit, als die Einheitsfront von Kuomintang und Maos Kommunisten gegen Japan zu bröckeln begann. Nach dem Friedens- und Freundschaftsvertrag zwischen der Sowjetunion und Japan wollten die Japaner lieber einen Krieg mit den USA wagen, als auf ihre Rohstoffquellen in Süd-Indochina zu verzichten. So kam es im Dezember 1941 zum Angriff auf Pearl Harbor.
Ab 1943 war sie für Collier’s als Korrespondentin im Rang eines Hauptmanns der US-Armee an vielen Fronten in Europa. Am 6. Juni 1944 begleitete sie die Landung der Alliierten an Bord eines Lazarettschiffs und konnte so ihre persönlichen Eindrücke vom D-Day in der Reportage „Das Lazarettschiff“ schildern.
1954 verlor sie in Indochina ihren „Blutsbruder“, den Fotoreporter ► Robert Capa, als dieser durch eine Mine getötet wurde. 1966 während des Vietnamkriegs geriet die streitbare Reporterin immer wieder auch mit der amerikanischen Militärzensur in Konflikt, denn sie wollte ihre Berichte nicht gar zu dürftig aussehen lassen – sie war gewohnt zu schreiben, was sie gesehen und erlebt hatte – auch von der Front. Aber Kriegsreporter wurden gern mit Banalitäten gefüttert und bei Informationsgesprächen von Aufpassern im Zaum gehalten.
Ihren letzten Kriegseinsatz hatte sie mit 81 Jahren während der US-Invasion in Panama. Danach war Schluss mit solchen Einsätzen. Nun sei sie „zu alt, man muss flink sein im Krieg.“ Jetzt schrieb sie nur noch Bücher, Länderporträts und Reiseberichte – aus Brasilien, Kenia oder London. In die USA ist sie nie wieder zurückgekehrt.
Am 15. Februar 1998 beging sie im Alter von 89 Jahren Selbstmord, halb blind geworden und unheilbar an Krebs erkrankt.
(hhb)
Quellen:
Andrea Schweers: Biographie Martha Gellhorn / in FemBio
Gabriele Killert: Martha Gellhorn – Ich liebte immer nur die Welt der Männer / Deutschlandfunk 2.11.2008
Hans-Jörg Michaelsen: Martha Gellhorn – Öffentliche Kriege und private Schlachten / SPIEGEL Geschichte 10.11.2008
Wolfgang Stock: Ernest Hemingway & Martha Gellhorn
Julian Schütt: Klassikerin des Monats – Kriegsreporterin Martha Gellhorn / St. Galler Tagblatt vom 4.6.2022
Bücher:
Martha Gellhorn: Das Gesicht des Krieges / Dörlemann